Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Reinhard: Unter Reihern

Das Frühstück heute Morgen im alten Refektorium des ehemaligen Prämonstratenserklosters gefällt mir. Kontemplative Stille umfängt uns und ich habe fast Hemmungen, mit dem Messer auf dem Teller rumzuklappern. Schon der Weg zum Refektorium über eine etwa 50 Meter lange Seite des Kreuzgangs hatte was. Ich sollte über ein Leben im Kloster nachdenken.

 

Um kurz nach 8 Uhr stehen wir gestiefelt und gespornt an der Bushaltestelle bei der Kathedrale und warten auf den Bus, der uns wieder nach Montauville bringen soll, dorthin, wo wir gestern vom Weg abgewichen sind, um nach Pont-a-Mousson zu gelangen. Als der Bus fast zehn Minuten überfällig ist, entschließe ich mich, doch nochmal einen Blick auf den Fahrplan zu werfen. Ergebnis: Der Bus, auf den wir warten, fährt um diese Zeit nur auf telefonische Anforderung und der nächste erst wieder mehr als eine Stunde später. Hat das gestern, als ich auf den Plan gesehen habe, auch schon da gestanden? Bestimmt nicht! Wir strafen den Plan mit Verachtung und nehmen bis zu unserem nächsten Zwischenziel Jezainville die Abkürzungsvariante über die Landstraße. Nur Charly Chaplin, der alte Tramp, weiß, wie schön die Landstraße sein kann.

 

Für Anni ist sie aber gar nicht so schön. Aus heiterem Himmel bekommt sie Schmerzen in einem Knie, wird langsamer, verzieht leidend, aber nicht jammernd die Mundwinkel. Was ist da los? Überbeanspruchung nach zwei relativen "Ruhetagen"? Sie versucht es noch eine Weile, dann verordne ich ihr eine Schmerztablette.

 

Als wir uns in Jezainville von der Landstraße verabschieden, über eine alte Steinbrücke den Eschbach überschreiten und auf einem Wirtschaftsweg zu einem Waldrand hochsteigen, hat die Tablette immer noch keine Wirkung gezeigt. Der schöne, weite Ausblick, die Sonne und die wieder mal frühlingshaften Temperaturen kommen leider so gar nicht bei Anni an. Erst als wir bei Dieulouard wieder unten im Moseltal sind und uns die Landstraße wieder hat, kommt das erlösende "Ich glaube, jetzt habbich et!", was so viel heißen soll wie "Der Schmerz ist weg!" - Na, Gott sei's gelobt und gepfiffen!

 

Von Dieulouard an nehmen wir mal wieder eine Jakobswegvariante: Der eigentliche Weg geht von hier direkt Richtung Toul, Anni und ich bleiben im Moseltal und ziehen Richtung Nancy weiter. Wenn wir schon mal so nah dran sind, dann wollen wir uns diese alte Renaissancestadt auch aus der Nähe ansehen. Aus der Nähe ansehen heißt aber nicht, stundenlang am Rand von immer stärker befahrenen Straßen und durch endlose Vororte einer französischen Großstadt zu latschen. Außerdem würde die Etappe dann heute weit über 30 Kilometer lang. Nee, is nich! Pilgern ja, Bußwallfahrt nein! Wir nehmen daher ab Marbache einen Bus und sind gut eine halbe Stunde später in Nancy.

 

Vor Marbache aber noch eine nette Begebenheit: Anni muss mal für kleine Löwenmütter und schlägt sich dafür nicht etwa in die Büsche, sondern unter eine Gruppe hoher, mit bis in die Wipfel mit dichtem Efeu umwucherter Bäume. Plötzlich umgibt aufgeregtes Geflatter ihre andächtige Pinkelruhe und etliche Graureiher steigen aus den Bäumen auf. Anni hat sich doch glatt in eine Reiher-Brutkolonie verirrt, sozusagen "Unter Reihen" (in Abwandlung eines Buchtitels von Karl May ).

 

In Nancy schlendern wir ein Weilchen rum, "schreiten" staunend über den riesigen Place Stanislas und steuern dort die Tourist-Info an. Erste Frage: Kommen wir mit unserem Hund in der Jugendherberge unter? Ein Telefonat ergibt die klare Antwort: Nein! Nächste Frage: Wo können wir sonst preisgünstig unser Haupt betten? Die junge Dame hinterm Schalter empfiehlt ein kleines, günstiges Hotel ganz in der Nähe, ruft nach meinem Nicken für uns an und bucht. Dritte Frage: Wo ist der nächste Supermarkt? Antwort: Zwei Straßen weiter. Wir sind sehr zufrieden und ziehen von dannen.

 

Nach einem Blick in die beeindruckende Kathedrale und einem kurzen Einkauf machen wir uns auf den Weg zum Hotel. Was von außen aussieht wie eine städtische Absteige, hält drinnen ein recht nettes, kleines Zimmer für uns bereit. Die Wasserversorgung ist zwar anfangs etwas problematisch, bekommen wir aber auch in den Griff. Man wird ja so bescheiden ...

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Sebastian (Freitag, 08 März 2013 22:26)

    Hey, ich hoffe dem Knie und den Reihern geht es gut! Ich melde mich morgen mal! Grüüüße

  • #2

    Dani (Sonntag, 10 März 2013 19:22)

    Hahaha!!! Papa als Mönch - ich lach mich tot. Naja, die Frisur hast du ja fast...