Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Reinhard: Wer kracht da durchs Gebälk?

Das Aufstehen heute schmerzt etwas. Draußen regnet's. Und es sieht nach Dauerregen aus. Sind die Pilger im Mittelalter eigentlich auch im Dauerregen gegangen? Mit Sicherheit! Ohne Funktionswäsche, Markenanorak und Regenschirm. Also aufstehen und sich mental auf 'ne kalte Dauerdusche einstellen!

 

Um 9 Uhr steht Nicolas mit seinem Auto bereit, um uns zum Wildgehege vor Auberive zu bringen, dorthin, wo er uns gestern aufgepickt hat. Mein Rucksack, der im Kofferraum landet, ist halbleer: Hundefutter, ein wenig Proviant für uns, Regenhose, Poncho, Sitzkissen, Reservebrille. Anni und Sira gehen "nackig", schließlich kommen wir heute Nachmittag wieder hierhin zurück. Der Scheibenwischer schwingt hin und her, aber im Auto ist es warm. Das wird sich gleich ändern.

 

Vor dem Gehege vom Sitkahirsch und seiner Kuh hält Nicolas an und lässt uns aussteigen. Was denkt er jetzt? "Die ham'se nicht mehr alle, bei so einem Wetter vor die Tür zu gehen!" (Natürlich auf Französisch!)? Ich verabrede mit ihm, dass ich gegen 15 Uhr anrufen werde, damit er uns von Grancey-le-Chateau abholt, und er lässt uns im nassen Wald zurück. Wir gehen zur Schutzhütte, um Sira noch ihre Morgenmahlzeit zu geben. Dies haben wir uns nämlich bis jetzt aufgespart, damit Sira ihr Futter nicht im Auto auf dem gleichen Weg rausschafft, wie es reingekommen ist. Bei Nicolas Fahrstil, den wir gestern ja bereits kennenlernen durften, eine begründete Sorge.

 

Um 9.30 Uhr sind wir endlich unterwegs, eine halbe Stunde später in Auberive. Wir sehen, dass der kleine Lebensmittelladen in der Dorfmitte geöffnet ist, heute, am Sonntagmorgen! Ich schaue auf die angegebenen Öffnungszeiten. Tatsächlich: Sonntag: 6.30 bis 12.30 Uhr. Dafür aber montags geschlossen. Anni geht rein, um unerwartet noch notwendige Kleinigkeiten einzukaufen: Baguette, Wurst, Kartoffelpüree. Drinnen fragt die Inhaberin Chantal, ob Anni Jakobspilgerin sei. Als diese das bestätigt, muss sie sich sofort in ein Büchlein eintragen. Chantals Sammelleidenschaft.

 

Im Dorf gehen wir noch an einem großen, schlossartigen Gebäude und an der ehemaligen Zisterzienserabtei vorbei, beide wohl mit einer langen Geschichte, heute in privatem Besitz.

 

Als wir Auberive verlassen, wird der Regen heftiger, mein Regenschirm bewährt sich wieder mal. Im Wald stört er dann aber auch, wenn tiefhängende Zweige an ihm schaben. Bei einer besonderen "Prüfung" muss ich ihn sogar einklappen: Über einem hangparallel verlaufenden Waldpfad sind Bäume umgestürzt und versperren mit ihrem Gewirr von Stämmen, Ästen und Zweigen den Weg. Umgehen geht nicht, also irgendwie durch. Anni und Sira meistern diese Klippe zuerst, ich mache mit meinem dabei doch sehr störenden Rucksack mit Sicherheit eine ziemlich dämliche Figur. Anni schießt davon eine Fotoserie - für die interessierte Nachwelt. Irgendwann habe ich es durchs Gebälk geschafft.

 

Zu einer Zeit, zu der wir sonst spätestens unsere erste Rast machen, kommen wir durch Vivey nahe an unserer Unterkunft vorbei. Es regnet wie aus Kannen. Sollen wir einfach ...? Nein, nun mal nicht geschwächelt! Oder vielleicht nur trockene Sachen anziehen ...? Auch nicht! Der Versuch würde scheitern und wir fänden uns im warmen Bett wieder. Also weiter!

 

Sira scheint das Sauwetter nichts auszumachen. Mit Begeisterung schnappt sie sich immer wieder Stöcke von beträchtlicher Größe, schüttelt sie hin und her, so dass mir der Stock schon mal in die Kniekehle knallt. Außerdem riecht es im Wald wieder köstlich. Sie bekommt den Kopf gar nicht mehr vom Weg hoch, so spurt sie den Wildfährten nach. Und als sie dann tatsächlich ein Reh entdeckt, schlägt sie an ihrer Leine bald Salto und Anni hat alle Hände voll zu tun, sie zu bändigen.

 

Hinter Lamargelle-aux-Bois verlassen wir bei einer heftigen Steigung im Wald die Region Haute-Marne und betreten Burgund. Wieder ein neuer Abschnitt. Wir hoffen, dass er uns endlich den Frühling bringt.

 

Um 15.30 Uhr sind wir im mauerumwehrten Grancey-le-Chateau. Der Regen hat tatsächlich aufgehört. Anni und Sira sind aber nass wie die Katzen, ich bin da etwas besser dran, mein Regenschirm hat einen guten Job gemacht. Ich rufe Nicolas an, wir sind zur Abholung bereit. Während er heranrauscht, werfen wir einen Blick in die Kirche und durch ein grosses Eisentor zum Schloss, letzteres natürlich wieder im Privatbesitz. Kaum zehn Minuten nach dem Anruf ist Nicolas zur Stelle. Das Auto ist innen warm und trocken. Herrlich!

 

Die nassen und dreckigen Klamotten landen in Nicolas Gite in der Waschmaschine, die nassen Schuhe in der Nähe der Heizung. Alles ist wieder gut! Gut auch: Heute haben wir die 700km-Marke geknackt!

 

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Sebastian (Montag, 18 März 2013 07:41)

    700km - so weit bin ich noch nichtmals geradelt... Glückwunsch - und weiter durchhalten.

  • #2

    Dani (Samstag, 30 März 2013 20:26)

    700km bin ich schonmal mit dem auto gefahren ;o)

    Der Vatter im Gebälk. Ich hätte mich weg geschmissen...

  • #3

    Juicer Reviews (Donnerstag, 25 April 2013 22:24)

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