Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Annika: Dijon, Dijon, Dijon!

Wasserspeier der Kirche Notre Dame von Dijon
Wasserspeier der Kirche Notre Dame von Dijon

Ich oute mich: Ich habe Angst vor Gasherden! Und der gestrige Abend hat diese Angst noch geschürt. Inzwischen bin ich ja schon so todesmutig, einen Gasherd selbständig anzuschmeißen. Zwar nur nach vorheriger Einweisung, aber immerhin. Wenn dann aber auch noch ein gasbetriebener Backofen dazukommt, wird mir das zu wild. Da ist die Selbstmordassoziation so stark! Und dann muss einem ja einer sagen, dass man das scheinbar auch noch irgendwie anzünden muss. Ich würd ja Papa fragen, aber der ist mir auch keine Hilfe, weil er genauso wenig Ahnung hat wie ich. Nachdem ich munter fünf Minuten lang Gas in den Ofen hab strömen lassen und außer gefährlich riechendem, sich ausbreitendem Gestank nichts tut, hab ich die Nase voll und mir halb in die Hose gemacht vor Angst. Ich reiß das Fenster auf, weil mir schwindlig wird und der Hund gequält niest. So, das wars, Erfahrung gemacht, abgehakt, in meinem Haushalt wird es nie nen Gasherd geben. Und heute gibts halt Gummibrot statt frisch geröstet. Kann man auch essen und man lebt länger.

 

Der heutige Tag wird beherrscht von Dijon. Erstes Teilziel ist es, nach Dijon hineinzukommen, zweites Teilziel ist es, aus Dijon wieder herauszukommen. Rosige Aussichten.

 

Der Morgen geht schon nachts schlecht los. Ich habe im Bett Schwindelschübe, als hätte ich einen über den Durst getrunken. Seit gestern quält mich ein Herpesbläschen. Heute morgen habe ich ein "Kitschauge", das juckt und brennt, wahrscheinlich vom Wind gestern, aber nach meiner Augen-OP im November bin ich da sehr vorsichtig... Ich habe schlecht geschlafen, deswegen Kopfschmerzen und mein Magen rebelliert auch noch. Na super! Ich bleib besser gleich liegen... Nix da! Gefrühstückt, Rucksack geschultert und nicht so angestellt! Nach einer halben Stunde kriegt sich mein Körper wieder ein. Na bitte, geht doch!

 

Das Wetter kann sich heute nicht so recht entscheiden. Es schwankt bis zu unserem Etappenziel zwischen sonnig, windig, wolkig und Sprühregenschauern.

 

Der heutige Etappenverlauf ist auch keine Erleuchtung. Wir laufen aus Messigny immer an der Landstraße entlang bis Dijon. Wir haben allerdings größtenteils Fahrradwege oder zumindest einen breiten Seitenstreifen zur Verfügung. Das hatten wir auch schon anders.

 

Die Vororte Dijons wirken auf mich bedrückend. Viele Häuser und Grundstücke sind vernachlässigt, vermüllt und verkommen, aber trotzdem noch bewohnt. Wir kommen an einem Schuppen vorbei, der genauso in Sambia hätte stehen können: Von Müll umgeben, eine ärmliche Behausung. Vor der Hütte mit Wellblechdach steht eine Wäschespinne, die Tür der Hütte steht offen und wir sehen im Vorbeigehen einen Mann darin sitzen und fernsehen. Papa ist schockiert: "Der wohnt hier!" Ich bin auch schockiert. Allerdings eher darüber, dass ein Bild, das im Sambia normal für mich war, mich hier so bewegen kann.

 

Wir laufen ohne großes Schlendern durch Dijon, schauen uns kurz die Kirchen an, besorgen uns einem Pilgerstempel, gönnen uns in einem Burgerladen unser fünftes Mittwochs-Feiertagsessen und eilen wieder aus der Stadt hinaus.

 

Next Stop: Supermarkt! Unsere und Siras Vorräte sind alle, also brauchen wir Nachschub. Papa wartet draußen mit Sira und ich kaufe ein. Noch vor dem Geschäft werden 4kg Hundefutter, Schwarzbrot (!), Wurst und Käse aufgeteilt und wir ziehen weiter, endlich aus dem Großstadtrummel heraus.

 

In Chenove, beim Beginn des "Chemin des Grands Crus de Bourgogne", also dem Weg der edlen Weine des Burgund, setzen wir uns auf die Mauer, um zu rasten. Vor uns liegen, soweit das Auge reicht, Weinfelder, in denen die Bauern ihre Pflanzen emsig auf das Jahr vorbereiten. Überall wird geschnippelt, gestutzt, verdrahtet, ausgegraben, neu gepflanzt und kritisch beäugt.

 

Ich fange mal wieder an zu träumen:  "Hach ja, das wäre was, wenn hier jetzt Tische zur Weinprobe stünden, schön mit honor-boxen..." (Erklärung: honor-boxen findet man oft auf Wanderungen. Jemand hat z.B. Getränke zur Erfrischung bereitgestellt. Wer sich ein Getränk nimmt,  schmeißt zur Bezahlung etwas in die honor-box. Auf die Ehrlichkeit und Ehrenhaftigkeit des Nutzers wird vertraut, deshalb HONOR - box). Papas Reaktion darauf: "Wie, Weinprobe in der Ongerbotz (= Kölsch für Unterhose)?" Als das Missverständnis aufgeklärt ist, lachen wir so herzhaft und andauernd, dass ich morgen Bauchmuskelkater haben werde.

 

Nach einem Lauf durch den Wein erreichen wir unser Etappenziel, ein wunderschönes altes Weingut in Couchey. Die Zimmer sind mit Liebe und einem Blick fürs Wesentliche renoviert worden. Sie wirken alt und doch neu. Außerdem hat das ganze Haus und die alten Möbel etwas sehr Herrschaftliches.

 

  Irgendwie passieren die besten Dinge immer, während ich schreibe! Papa hat uns eine Scheibe des guten Schwarzbrots geschmiert (das es hier nur in ausgewählten Geschäften und da auch nur unter "Bio" gibt) und ist jetzt wieder mit anderen Dingen beschäftigt. Sira erhebt sich genüsslich gähnend und reckend von ihrer Decke  und streift durchs Zimmer, schnüffelt hier, leckt und knabbert kurz dort... Und auf einmal schmatzt und grunzt sie wie ein erfolgreiches Trüffelschwein. Papa schaut nach. Siehe da, die Dame verschnabuliert begeistert eine ganze Scheibe Brot. Papa muss sie unbemerkt(!!!????????) fallen und liegen gelassen haben. Wir sind fassungslos. Sira freut sich.

 

Doch kein Hundeleben!

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Kommentare: 2
  • #1

    Sebastian (Donnerstag, 21 März 2013 08:06)

    Die Frage ist: Hast du wegen der Ongerbutz gelacht oder wegen des ganzen Gases, welches du geschnüffelt hast...

  • #2

    Dani (Samstag, 30 März 2013)

    Hahaha!!! Ongerbotz... sehr geil!