Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Annika: Internetfreie Zeit!

Von Poncey bis Saint-Gengoux-le-national, 26 km

Von Saint-Gengoux-le-national bis Cluny, 27 km

Von Cluny bis Tramayes, 24,5 km

Und zack! ist der letzte Blogeintrag auch schon wieder drei Tage alt! Die vergangene Woche ist wie im Flug vergangen. Jetzt ist schon wieder Mittwoch, wir sind seit sechs Wochen und über 900 km unterwegs und ich habe das Ganze immer noch nicht wirklich realisiert.

 

Montag morgen fasse ich beim Gassigang einen Entschluss: Hinter unserer Schlösschen-Unterkunft befindet sich eine 500m lange Einfahrt. Rechts dieser Einfahrt Weinfelder, links so etwas wie ein Schlossgärtchen und eine Wiese. Zur Straße hin eine niedrige Mauer, bei der Einfahrt ein offenes Tor. Hach ja, hier den Hund laufen lassen... Hier würde die doch wohl nicht abhauen... Selbst wenn da hinten ein Karnickel wäre, wäre Sira wahrscheinlich aus der Puste, bis sie am Ende des Gartens angekommen wäre... Also nicht lang nachdenken, Leine los und auf gehts! Meine Güte, die ist gar nicht zu bändigen! Rauf und runter durch den Wein, über die Wiese und wieder durch den Wein. Ich gehe frühstücken, hab dann  aber bald keine Ruhe mehr und sammle meinen total überdrehten Hund wieder ein. Sie knallt sich auf den Teppich und meint, sie hat ihr Tagespensum erreicht. Höhö.

 

Als wir kurze Zeit später unsere total überteuerte Unterkunft mit Sack und Pack verlassen, guckt Sira ziemlich doof aus der Wäsche.

 

Die Sonne gibt sich an diesem Morgen alle Mühe. Ab  und an spendet sie uns in den nächsten paar Tagen  ein herrliches kleines bisschen Wärme und Frühlingsgefühle. In St. Desert treffen wir wieder auf Johan und Nanni, die dort (weitaus billiger als wir) im Kloster geschlafen haben. Wir konnten das leider nicht. Hunde unerwünscht!

 

Bis Montagny-les-Buxy laufen wir nun  durch kleine Dörfchen und leichte Hügel. Unsere Gruppe ist groß, lustig und extrem unterschiedlich. Papa und ich sind eher die Zielwanderer. Wir machen höchstens zwei Pausen und laufen ansonsten ziemlich strack und zügig durch. Johan und Nanni sind meiner Meinung nach totale Genusswanderer. Päuschen, wo und wann auch immer es geht und am Besten immer mit Essen verbunden. Veronika würde ich als Kasteiungswanderer bezeichnen. Dadurch, dass sie jetzt seit letztem Jahr nicht mehr gewandert ist, beschwert sich ihr Körper ziemlich deutlich: Blasen, Knie und überhaupt... Abends oder nach Pausen sieht sie so gequält aus, dass man vermuten könnte, dass sie nie wieder einen Fuß in ihre Wanderstiefel setzt. Trotzdem ist sie jeden Tag aufs Neue dabei und hält durch bis zum Schluss. Und ich glaube sogar, die Schmerzen werden weniger. Vielleicht haben ja auch wir uns von Kasteiungswanderen zu Zielwanderern entwickelt. Vielleicht werden wir ja auch noch zu Genusswanderern wie das Pärchen?!?

 

Obwohl unsere Truppe ein extrem unterschiedliches Tempo an den Tag legt, geht keiner lange allein, sondern mal mit dem, mal mit dem. Schön einfach!

 

Nach Montagny tritt das erste Mal ein Phänomen auf, dass wir  interessanterweise an den beiden Folgetagen auch erleben: Die nicht enden wollenden letzten Kilometer! Da denkt man: Noch EIN Hügel, oder noch EINE Kurve, aber der Zielort kommt und kommt nicht in Sicht.

 

Schließlich erreichen wir aber doch St-Gengoux, mit einer Unterkunft, die doch so ganz anders ist als die davor. Herzlich, großzügig und vor allem günstig!

 

Als ich abends im Dunklen mit Sira vom Gassigang zurückkomme, bin ich total begeistert von der Altstadtstraße. So eng, mit abgewetztem Steinboden und schummriger Beleuchtung. Nein, ich fühle mich nicht ins Mittelalter versetzt. Aber sofort kommt mir Jack the Ripper in den Kopf. DAS könnte sich hier alles gut abgespielt haben... Hua, schaurige Vorstellung!

 

Der nächste Morgen gestaltet sich wieder freundlich. Es ist trocken, nicht zu kalt, also, was wollen wir mehr? Wir verlassen St-Gengoux über bewaldete Feldwege an Weiden entlang. Die Weinhänge und Felder haben wir so langsam hinter uns gelassen. Durch weite Weidenflächen, durch kleine Dörfchen und über sanfte Hügel laufen wir bis nach Saint-Hippolyte.

 

Nach Flagy ist es Zeit für eine Pause und wir lümmeln uns direkt an den Wegesrand. Zwei junge Leute, ca Ende zwanzig, laufen an uns vorbei. Sie sind aufgrund ihres Knüppels und der Muschel am Rucksack offensichtlich Pilger. Scheinbar sind sie nicht an Konversation mit einer Bande wie uns interessiert. Als wir fragen, wohin es geht, ernten wir ein knappes "Mal sehn..." und sie sind weg, den Rest des Tages extrem bemüht, uns nicht mehr zu treffen und wenn doch, uns wenigstens nicht anzusehen.

 

Nach einigem schweißtreibenden Bergauf und Bergab gelangen wir nach Cluny. Bei der obligatorischen Sightseeingtour kommen wir zu spät zur Abtei. Sie haben bereits geschlossen und wir können nichts mehr besichtigen. Papa ist sauer. Er sagt, das sei einer der kulturellen Höhepunkte der Tour gewesen. Ich dagegen kann es verschmerzen.

 

In Cluny sehen wir viele junge Männer und Frauen mit bunt gestalteten Kitteln. Wir fragen uns, was das soll. Religiöse Glaubensgemeinschaft? Politische Gruppierung? Alberne LARP-Veranstaltung? Auf Nachfrage erfahren wir, dass es sich um Schüler der technische Akademie handelt, die einen Kittel tragen müssen und dieses notwendige Übel mit individuellen Motiven kreativ verschönert haben. Naja, für mich sieht das eher aus wie Hogwarts für Erwachsene.

 

Ebenso wie am Vortag versuche ich mich vergeblich am Internet. Es will einfach nicht! Und wenn doch, dann ist es so langsam, dass ICH nicht mehr will...

 

Heute morgen verlassen wir Cluny zeitig und laufen auf die Höhen. Wir gelangen nach Sainte Cecile. Ab dort steigen wir stetig und steil sogar in so etwas wie Berge hinauf. Durch den schweißtreibenden Anstieg zerreißt es die Gruppe mal wieder etwas. Oben angekommen genießen wir den Fernblick hinunter ins Tal.

 

Ein letztes Mal laufen wir gemeinsam im Etappenziel, in diesem Fall Tramayes, ein. Ab morgen schrumpft unsere Gruppe ein wenig: Johan und Nanni ziehen weiter nach Barcelona.

 

Schade! Schön wars mit euch!

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Kommentare: 1
  • #1

    Dani (Sonntag, 31 März 2013 14:05)

    Tolle Fotos. Sieht nach einer schönen Strecke und einer eingeschworenen Gemeinschaft aus...