Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Reinhard: Zuuuuurueck!!!!!

Von Propières bis Le Cergne, 22 km

Keine Angst! Die Ueberschrift soll nicht andeuten, dass wir beabsichtigen, unsere Pilgerreise abzubrechen und in Kuerze nach Deutschland zurueckzukehren. Dazu laeuft unser Weg viel zu rund. Was sich dahinter verbirgt, werde ich gleich preisgeben.

 

Bevor ich ueberhaupt noch was anderes schreibe, moechte ich mich jetzt endlich mal bei all denen bedanken, die so fleissig unseren Blog lesen, unsere Artikel kommentieren oder sich in unser Gaestebuch ("Und jetzt ihr!") eintragen. Ihr glaubt ja gar nicht, welchen Antrieb uns das gibt. Dafuer sitzen wir schon mal gerne abends bzw. bis nach Mitternacht vor dem PC (im guenstigsten Fall) oder mit roten Augen vor dem Smartphone. Also vielen Dank dafuer!!! Wer uebrigens nicht weiss, wie das mit dem Kommentieren geht: Auf die jeweilige Ueberschrift klicken, bei dem Artikel nach ganz unten scrollen - und zack! - da ist auch schon das Kommentareingabefeld! Wir freuen uns ueber jede Stimme aus der Heimat!

 

Bevor wir heute Morgen bei Geneviève das Wohn-/Esszimmer betreten, wo bereits das Fruehstueck angerichtet ist, stecke ich erstmal meinen Kopf durch die Tuer und frage vorsichtig an, ob keine Katze im Raum ist. Wenn das naemlich der Fall waere, haette Sira in Nullkommanix IHR Fruehstueck hinter sich. Geneviève gibt Entwarnung und wir setzen uns an den grossen Esstisch. Dieser wird beherrscht von einer grossen Zahl von Marmeladenglaesern, alle voll mit den herrlichsten Marmeladenkompositionen aus eigener Herstellung: Apfel/Traube, Rhabarber/Vanille, Aprikose/Ingwer, Birne/Anis, Banane/Thymian, Pflaume/Zimt etc.  Es besteht der begruendete Verdacht, dass ich, einmal in der Heimat zurueck, monatelang keine Marmelade mehr essen werde nach der wochenlangen Ueberzuckerung bei den petit dejeuners hier in Frankreich, aber hier lohnt sich der Zuckerschock wirklich. Dazu noch mehrere Stuecke Honig-Nuss-Kuchen ... wir sind nur wenige Schritte vom Schlaraffenland (und vom Zahnarzt) entfernt. Geneviéve, die mit uns am Tisch sitzt, freut sich, dass es uns schmeckt.

 

Draussen regnet es leicht, als wir uns vor der Tuer von der Hausherrin verabschieden. Es gibt Quartiere, die kann man gut und schnell verlassen. "La Musardière" gehoert zu denen, wo man glatt einen Tag verlaengern koennte.

 

Weniger schoen ist die Begegnung, die uns kurz nach dem Weggang von "La Musardière" erwartet. Bereits gestern haben wir auf dem Hinweg zur Unterkunft dieses traurige Schauspiel erleben muessen, jetzt auf dem Weg zurueck also ein zweites Mal. Direkt gegenueber eines recht heruntergekommenen Hauses rennen vier Hunde von unbestimmter Rasse in ihrem verwahrlosten Zwinger hin und her, bellen und heulen entsetzlich und wir wissen nicht, ist dies ein aggressives Verhalten oder schreien sie einfach nur um Hilfe. "Holt uns hier raus!" Warum haelt man sich Hunde? Um ihnen ein derart erbaermliches Leben zu bereiten?

 

In Propières fallen Veronika und Anni kurz in die kleine Epicerie ein. Veronika braucht noch ihre Ladung Frischkaese und Anni noch Hundefutter, schliesslich stehen die Ostertage bevor und keine will in Engpaesse kommen. Veronika bekommt ihren Frischkaese, Anni aber kein Hundefutter. Dafuer haelt die Angebotspalette eine Packung Katzenfutter bereit, deren Inhalt nun auf kleinere Tueten umverteilt wird, damit auch Sira etwas zu transportieren, es aber nicht zu schwer hat. Sira schaut bei dieser Aktion ein wenig skeptisch aus der Waesche. Die Groesse der einzelnen Cracker ueberzeugt sie nicht.

 

  Auf der Strasse marschieren wir anschliessend von Propières bis Les Echarmeaux auf gleicher Hoehenlinie. Autos sind nicht viele unterwegs, wir kommen gut voran. Ab Les Echarmeaux geht es wieder in den Wald, Schotterwege mit viel Geroell fuehren weiter auf die Hoehen. Der Col des Aillets, Col des Ecorbans und Col de la Buche werden ueberschritten, dazwischen nur dunkler, meist hoher Fichtenwald im Nebel. Keine Fernblicke, kein Sonnenstrahl, alles - obwohl es nie richtig regnet - immer nur feucht. Pausen fallen nur recht kurz aus, schnell kriecht diese Feuchtigkeit unter die Anoraks. Ich schalte unterwegs auf Autopilot und lasse mich treiben, Veronika traeumt immer wieder von ihrem warmen Kachelofen daheim - und Anni hat laengere Zeit Zoff mit ihrem Hund.

 

Es gibt Phasen, da will Sira einfach nicht so, wie Frauchen es gern haette. Dann zieht und zerrt sie an der Leine und treibt Anni damit an den Rand des Wahnsinns. Dann ist es vorbei mit "Siiirali!" (Koseform), dann folgt "Neeeiiin!!" (1. Warnstufe), "Sira!!! Nein!!!" (2. Warnstufe), schliesslich "Zuuurueck!!!!!!" nebst energischem Zug an der Leine (3. Warnstufe); Danach hilft nur noch ein energisches Aus-dem-Hemd-springen mit dem gleichzeitigen Ausstossen einiger schlimmer Verwuenschungen, deren Inhalt ich jetzt nicht zitieren moechte. Veronika und ich schweigen dann nur noch, Kommentare waeren hoechst ueberfluessig.

 

Kurz nach 16 Uhr sind wir am Etappenziel Le Cergne und finden auch schnell unser Quartier bei Martine und Philippe Danière, eine ganz private Unterkunft bei netten Leuten. Wir haben mal wieder alles, was wir brauchen: Schoene Zimmer, eine herrlich heisse Dusche, einen PC fuer unseren Blogeintrag - und ein leckeres Abendessen. Als wichtige Beigabe erhalten wir noch einen guten Tipp: Uhr umstellen nicht vergessen, ab morgen gilt wieder die Sommerzeit! Bei diesem Wetter draussen kann koennen wir uns im Moment noch nicht so recht an diesen Begriff gewoehnen.

 

Tatsaechlich, Aschermittwoch haben wir uns auf den Weg gemacht und morgen ist schon Ostersonntag. Allen denjenigen, die diesen Eintrag morgen frueh nach dem Fruehstueck, nach dem Eiersammeln oder im Laufe des Tages lesen, wuenschen wir Jakobspilger ein schoenes Osterfest!

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Kommentare: 8
  • #1

    Hans Platzjabeck (Sonntag, 31 März 2013 09:31)

    Frohe Ostern und weiterhin viel Glück beim wandern!

    Hans

  • #2

    Lore (Sonntag, 31 März 2013 09:46)

    Hallo Ihr alle,
    Hunde an der Kette, Hunde im Zwinger, Hunde, die die ganze Nacht heulen, abgemagerte Hunde, Hunde mit Welpen irgendwo in der Landschaft, Hunde...Hunde...
    Je weiter Ihr südlich kommt, umso öfter ist es zum Heulen, wie manche Hunde leben müssen.
    Vielleicht trefft Ihr aber heute statt arme Hunde einen netten Osterhasen!
    Lieben Gruß
    Lore

  • #3

    Anette (Sonntag, 31 März 2013 12:54)

    Rein zufällig bin ich auf Eure Seite geraten und verfolge Euren Blog nun täglich, bin sogar enttäuscht, wenn Ihr mal nichts von Euch hören lasst. Ich wünsche Euch auch weiterhin einen guten Weg, ein freundliches Miteinander, besseres Wetter und Frohe Ostern!!!

  • #4

    Mama Ingrid (Sonntag, 31 März 2013 14:33)

    Hihi, die Erklärung, wie das mit dem direkten Kommentieren geht, war sicher für mich. Vielen Dank, ich habs jetzt kapiert :-)))
    Ein kleiner Zuckerschock am Morgen - und dann noch mit selbstgemachter Marmelade kann bestimmt nicht schaden, um nach des Tages Müh und Plag und nach den kalten Nächten die Zuckerspeicher wieder aufzufüllen, damit ihr gerüstet seid für den neuen Tag. (Bekommt Sira auch Marmeladenbrote?)
    Ja, ich glaube auch, dass der Anblick von verwahrlosten und streunenden Hunden euch künftig noch öfter begegnen wird.
    Anni, freu dich an der fröhlichen und quicklebendigen Sira, auch wenn sie manchmal über die Stränge schlägt.
    Gestern Abend habe ich noch die Einträge gelesen und heute - zack - schon wieder was Neues. Ihr seid echt fleißig, alle Achtung! Hab mich bei der Überschrift allerdings zuerst schon etwas erschrocken.
    Dein Dank an alle fleißigen Leser und Schreiber hat mir gut gefallen, Reinhard. Schön, dass wir euch aus der Ferne ein wenig motivieren können.
    Weiterhin guten Mut, schöne Erlebnisse und wärmeres Wetter.
    Und ein Küsschen für Sira! :-)

  • #5

    Waltraud Horn (Sonntag, 31 März 2013 19:06)

    Auch ich wünsche Euch noch einen guten Rest des Osterfestes. Frankreich hat ja keinen 2. Ostertag, aber dafür sind dann auch wieder die Geschäfte für Hundefutter geöffnet. Sira ist hoffentlich nicht beleidigt wegen des Katzenfutters. Sie hätte sicher gern ein Osterei gegessen. Ich bewundere Euch. Dieses Wetter findet mich nur vor dem Ofen.Haltet durch,es wird besser.LG

  • #6

    Sebastian (Sonntag, 31 März 2013 20:44)

    Hallo ihr Wandersleut! Mensch, bei dem bescheidenen Wetter beneide ich euch nicht... Die Geschichten mir Sira gefallen mir besonders gut, die Szene mit Anni konnte ich mir gut vorstellen :-) Verschneite Ostergrüße aus dem good old Rheinland!

  • #7

    Josef Lukas (Montag, 01 April 2013 12:57)

    Hallo lieber Reinhard und unbekannterweise liebe Annika,
    ich lese seit eurem Start die Blogs und bin fasziniert ob eurer Eintragungen. Was die Strecke bis Beaune betrifft, so kenne ich sie von früher mit dem Wohnwagen.
    Wünsche euch für den weiteren Weg alles Gute und natürlich ein der Jahreszeit entsprechendes Frühlingswetter.

  • #8

    Dani (Dienstag, 02 April 2013 13:13)

    Also Anni, sieh die Leine als eine Art Nabelschnur. Nach diesem Tripp wird dir Sira so verbunden sein, wie es ein Hund seinem Frauchen nur sein kann...