Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Reinhard: Veronika auf Heimatkurs

Von Montverdun nach St.-Thomas-la-Garde, 25 km

  Es ist noch dunkel, da fängt es an zu pladdern. Mit eingezogenem Kopf renne ich von unserem Schlafraum durch die Morgenkälte hinüber in den Sanitärbereich und versuche dabei vergeblich, dem  vom Dach herabtropfenden Wasser auszuweichen. Gut, dass das heute Nacht bei meinem gewohnten Toilettengang noch nicht der Fall war, denn schlaftrunken und nur mit Unterwäsche bekleidet, ist das überhaupt nicht lustig.

Die Radpilger, mit denen wir uns gestern abend in der Küche noch etwas unterhalten haben, staunen, als wir tatsächlich unter Poncho und Regenschirm durch das große Tor die alte Klosteranlage verlassen und uns auf den Weg machen. So sehen die wahren Pilger aus!

Und wir werden belohnt! Nach einer Stunde hört der Regen auf und setzt den ganzen Tag auch nicht wieder ein. Es bleibt jedoch grau in grau, aber die Berge des Zentralmassivs erscheinen uns zum Greifen nah. Kein gutes Zeichen für die zukünftigen Wetteraussichten ...

  Ein Wetter zum Zelten ist das jedenfalls immer noch nicht! Das Paket mit unserer Zeltausrüstung, das uns von Veronika vor mehr als fünf Wochen nach Trier nachgeschickt worden war, hat mittlerweile eine nette Reise hinter sich: Zunächst hat es die nette Mitarbeiterin vom Kolpinghaus in Trier wieder nach Windeck zu Veronika geschickt. Die brachte es dann mit, als sie mit Monika und Kurt zu uns nach Beaune kam. Da das Wetter weiterhin nicht campinggemäß war, nahmen die beiden das Paket mit zu ihrem Ferienhaus bei Bordeaux, um es uns eventuell bei Bedarf auf kurzem Weg zuzuschicken. Inzwischen ist es in der Schweiz, da Moni und Kurt dort Sohnemann Marcel besuchen. In zwei Tagen wird es dann wieder in Windeck sein und dann geht der ganze Reigen von vorne los. Irgendwann wird es soweit sein und wir bauen unser Zelt auf! Vielleicht brauche ich dann ja schon neue Schuhe, denn die, die ich trage, sind schon ganz schön abgelatscht.

Nach elf Kilometern auf teils recht matschigen Pfaden, erreichen wir am frühen Mittag Champdieu. Bei der alten, mächtigen Klosterkirche ist der Moment des Abschieds gekommen. Veronika tritt die Heimreise an. Heute noch muss sie Lyon erreichen, um morgen früh von Frederike und Carsten Heggemann auf deren Rückfahrt vom Südfrankreichurlaub aufgepickt und nach Hause kutschiert zu werden. Jetzt tritt Jakobus wieder auf den Plan: Noch auf dem kleinen Platz vor der Kirche spricht sie ein französischer Wohnmobiltourist an und erkundigt sich nach unserer Pilgerreise. Veronika teilt ihm mit, dass sie sich just auf den Weg mache, wahrscheinlich trampend, um nach Montbrison zu kommen, und von dort aus per Bus und Bahn nach Lyon. Eine Hausecke weiter holt unser Wohnmobilist sich wohl die Erlaubnis seiner Angetrauten ein und bietet schließlich Veronika die Mitfahrgelegenheit in seinem Urlaubsgefährt an. Jetzt geht alles ganz schnell: Ein letzter fester Drücker, dann trage ich ihren Rucksack zum Wohnmobil, sie steigt ein, Tür zu - sie ist weg. Und wer schmiert uns jetzt unterwegs die Brote? Wer kocht uns abends die Nudeln? Von wem kann ich mir mal das Handtuch ausleihen, wenn ich zu faul bin, meines aus den Tiefen des Rucksacks hervorzukramen? Veronika, du wirst in etwa sechs Wochen nochmal zu uns stoßen - und dann wird alles wieder so sein!

Alleine ziehen nun Anni, Sira und ich weiter. Noch vor Montbrison erleben wir ein lustiges Zusammentreffen: Einmal mehr kommt ein Esel neugierig an den Zaun und bringt damit Sira in leichte Verwirrung. Um ihren grenzenlosen Mut unter Beweis zu stellen, bellt sie das Traumtragetier aller Pilger an, ohne zu ahnen, dass sie damit des Esels kurzbeinige Freundin, eine kleine Zwergziege, gegen sich aufbringt. Die kommt zügig und die Lage taxierend heranmarschiert, schlüpft unter ihrem Zaun hindurch und stellt sich Sira zum Kampf. Für die Freundschaft mit ihrem Weidegenossen ist sie zu allem bereit. Sie senkt ihren kleinen Kopf, droht mit den Hörnern und rennt drei Schritte auf Sira zu. Die weicht einige Schritte zurück, bellt aber energisch und wird schließlich von Anni zurückgezogen. Wer hat denn nun gewonnen?

In Montbrison kaufen wir Vorräte ein. Den Rest der heutigen Strecke hängt eine Plastiktüte voll mit Lebensmitteln außen an meinem Rucksack, Anni trägt einen Drei-Kilo-Beutel Hundefutter am langen Arm.

Um kurz vor 17 Uhr sind wir in St.-Thomas-la-Gard. Unsere Unterkunft steht direkt neben der Kirche und sieht aus wie das ehemalige Pastorenhaus. Dominique, unsere außerordentlich charmante Gastgeberin, klärt uns auf, dass das Haus ein ehemaliges kleines Nonnenkloster ist. Veronika hätte es gefallen. - Wieso muss ich eigentlich bei einem Nonnenkloster an Veronika denken?

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Kommentare: 2
  • #1

    Dani (Samstag, 06 April 2013 18:31)

    Geile neue Bilder. Liebe Grüße aus Helpenstell, wo Flo und ich uns gestern zuerst betrunken und dann heute ordentlich was geschafft haben. Auch hier wird sich einiges tun, bis ihr wieder zurück seid.

  • #2

    Mama Ingrid (Sonntag, 07 April 2013 19:43)

    Ohhhh, endlich wieder neue Fotos :-))!!! DANKE!
    Also echt, Reinhard, wie kommst du bei Klöstern auf Veronika??? Ah, ich weiß! Sie hat sich aufopfernd um euch gekümmert, euch umsorgt, euer Gemecker ertragen und euer Essen gekocht, womit sie nicht nur von Jacobus geschickt ist, sondern fast selbst schon zu einer Heiligen wird. Im Ernst, alle Achtung, Veronika! (hätte ich jetzt nicht so unbedingt die Lust zu gehabt, vor allem, wenn du selbst gewandert bist und die Füße gequalmt haben)
    Glaub ich dir glatt, Reinhard, dass du dich auf die Fortsetzung davon freust, du Pilgerer! Warum spartanisch, wenn's auch angenehm sein kann, oder wie ;-)?
    Sira, na ja, die ist natürlich an allem Neuen interessiert, klar. Und sie weiß ja auch nicht, dass der Esel des Jakobspilgerers liebstes Tier ist. Und so hat sie eben große Klappe...
    Und unsere Jungs, ne? Da treffen sie sich zum Arbeiten, und dann müssen sie erstmal einen zur Brust nehmen. Am nächsten Samstag treffen wir uns bei Jules, um beide Widder-Geburtstage zu feiern :-)
    Bis denne