Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Annika: Glockenruf

Von Golinhac nach Conques, 25 km

  Gestern Abend haben wir entschieden, wieder früh loszugehen. Mein Wecker steht auf sechs Uhr. Als ich beim ersten Klingeln meine Ohropax herausnehme, höre ich den Regen auf unser Dachgeschossfenster fallen. Bei dem Wetter fängt kein früher Vogel den Wurm. Ich stelle den Wecker auf sieben und schlafe weiter.

  Beim zweiten Alarm ist das Wetter nicht besser, aber irgendwann müssen wir uns aufraffen. Im großen Gemeinschaftszimmer am Ende des Flurs ist schon Palaver angesagt. Man packt. Wir sind die Letzten, die, in Pelerine gehüllt bzw. mit Regenschirm bewaffnet, die Gite verlassen.

In gleichmäßigem, mittelstarkem Regen erklimmen wir unsere erste Höhe.

Nach einer halben Stunde gönnt man uns eine kleine Pause, bevor das Gefissel die nächste Runde einläutet.

Dem Löwenzahn gefällt das Wetter wohl auch nicht. Wo gestern noch weite gelbe Blütenteppiche die Landschaft schmückten, hat sich nun wieder alles verkrümelt. Kann ich verstehen, hätte ich am liebsten auch so gemacht!

  Beim Abstieg nach Espeyrac kommen wir durch die kleine Siedlung Le Soulié, wo ein Häuschen äußerst sympathisch für seine Pilgerfreundlichkeit wirbt: Unterkunft auf Spendenbasis, Kaffee und Tee hier erhältlich... Boah, hier könnt ich bleiben und den Regentag verstreichen lassen. Aber nix da! Wir haben gerade mal eine Handvoll Kilometer geschafft, also weiter...

In Espeyrac haben wir erstmal genug vom Nasswerden und rasten in einer Bar. Im TV dröhnt eine 80er-Jahre-Chart-Show, der die Inhaberin begeistert folgt. Wir trinken eine heiße Schokolade und Sira schlummert auf ihrer Decke. So ein nasser Hund stinkt schon gewaltig. Keiner verliert ein Wort darüber. Dann können wir das auch ignorieren.

  Als wir nach unserer Pause den Ortsausgang erreichen, läuten, wie auch bei unserer Ankunft im Ort, die Glocken. Es ist schon irgendwie auffällig. Wir haben das Gefühl, dass wir die Glocken jedes   Ortes bis jetzt haben läuten hören, sei es beim Ein- oder beim Auszug. Will uns auch damit Jakobus etwas sagen, ebenso wie mit dem immer noch täglich grüßenden Kuckuck? Vielleicht erfahren wir es irgendwann.

  Nach einem Anstieg erreichen wir Sénergues und folgen bald der Landstraße über weite Felder, über die der Wind pfeift.

  Auf einem steilen, rutschigen Pfad mit Geröll erreichen wir die ersten Häuser von Conques. Eine Katze sitzt auf der Mauer und taxiert Sira. Papa versucht, das Tier durch Klatschen zu verscheuchen, bevor Sira sie entdeckt. Und ich habe da so ein Gefühl... Ich sage Papa, er soll sie einfach mal in Ruhe lassen und hoffe auf absolute Unbeweglichkeit der Katze. Das hat schon öfter funktioniert. Katze und ich schauen uns an und hoffen in tiefer Einigkeit auf Siras Döseligkeit. Heute funktioniert das mal wieder. Sira ist hiermit und damit beschäftigt und trippelt unwissend einen Meter an einem köstlichen Mittagssnack vorbei.

  In die historische, am Hang errichtete Stadt Conques könnte ich mich sofort verlieben. Wohin man sich wendet, sieht man alte Steinmauern. Auf den alten krummen Treppen fühlt man förmlich die Schritte der Menschen eines Jahrtausends. Die Gassen sind schmal und gewunden, überall geht wieder nach rechts oder links ein Gässchen oder eine Treppe ab. In den Mauern blüht es schon jetzt pink, blau, gelb oder rot. Wie wunderschön muss es hier im Sommer sein, wenn auch der Wein an den Hauswänden Blätter trägt!

Als wir durch den Ort schlendern, sind wir bereits wieder die Hauptattraktion. Fotos und Gespräche noch und nöcher.

Wir treffen endlich wieder bekannte Gesichter; aus der Bücherei tritt der Franzose, mit dem wir die Unterkunft vor Le Puy, also vorm Hauptpilgerstrom, geteilt haben. Er wirkt nicht mehr so schmerzverzerrt wie in Le Puy.

Außerdem treffen wir auf die deutschsprachige Pilgerin, die seit Tagen immer wieder unseren Weg kreuzt. Sie ist die einzige, die wir schon so viele Tage lang immer wieder sehen. Jedes Mal, wenn wir uns treffen, reden wir ein bisschen und erfahren mehr übereinander. Was wir bisher nicht erfahren haben, ist ihr Name. Komisch, da redet man miteinander wie alte Bekannte, aber weiß noch nicht mal den Namen...

Jetzt sitze ich hier in unserem Mobilheim auf dem Campingplatz, freue mich über das (minimal) besser aussehende Ohr von Sira und Papa reserviert mit einem lustigen Französisch-Deutsch-Englisch- Mix weitere Unterkünfte.

Und endlich wird die Heizung warm!!!

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Kommentare: 1
  • #1

    Mama Ingrid (Sonntag, 21 April 2013 01:18)

    Mann Mann, Unterkunft mit Pool, 5 Sterne? Dann Häuschen mir Veranda, ihr habts echt gut getroffen!
    Im Ernst, Regen oder nicht, die Gegend, die ihr gerade durchpilgert, ist zauberhaft. Da kommt richtig Fernweh bei mir auf.