Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Reinhard: Genusswandern

Von Figeac nach Grealou, 23 km

Den heutigen Pilgertag kann man eigentlich nur unter einem Begriff zusammenfassen: Genusswandern.

Doch vor das Wandern hat der liebe Gott das Frühstück gesetzt. Aber ohne Baguette ist das auch blöd und die Boulangerie neben unserer Gite ist am heutigen Montag geschlossen, obwohl wir gestern Abend vom Gite-Betreiber noch eine andere Auskunft bekommen haben. Also können wir unsere Butter und den Camembert auch wieder in den Rucksack packen. Ohne Frühstück losgehen? Auf der anderen Seite der Gasse unsere Rettung: Ein kleiner Art-Decor-Laden bietet auch zu dieser frühen Stunde zusätzlich die Möglichkeit zum Frühstück an. Wir packen in der Gite schnell unsere Siebensachen zusammen und wechseln die Lokalität. Zwischen allerlei Krimskrams, von dem einiges durchaus Annis Wohlgefallen findet, beißen wir zufrieden in die mit Marmelade beladenen Baguettestücke und schlürfen an Kaffee bzw. Tee.

Als die Sonne es bereits schafft, ihre Strahlen bis in die enge Gasse zu werfen, machen wir uns auf die Socken. Ach ja, Stichwort "Socken". Beim Anziehen meiner Wandersocken muss ich heute früh feststellen, dass nun auch beim zweiten Paar die großen Zehen freien Ausgang wünschen. Ich werde ihnen dies noch ein paar Tage gewähren, dann kommt das dritte Paar zum Einsatz.

Beim Ausgang aus Figeac haben wir etwas Mühe. Entweder ist die Wegbeschreibung im Wanderführer nicht mehr auf dem neuesten Stand oder wir übersehen eine Markierung, jedenfalls gibt uns die Wegführung anfangs etwas Rätsel auf. Doch dank Anni und GPS sind wir schnell auf der richtigen Strecke und kürzen sogar noch etwas ab.

Unsere Etappe führt heute über die Causse Quercy, eine Kalkhochfläche zwischen dem Cele- und dem Lot-Tal. Weiden und Eichenwälder dominieren diese Landschaft, kleine Weiler liegen vereinzelt und weit verstreut. "Hochfläche" ist hier aber nicht gleich "Ebene", denn das Relief ist immer leicht wellig. Steinmauern grenzen die Weiden ein und in Senken wird auf oft winzigen Flächen intensiver Ackerbau betrieben. Kleine und manchmal auch etwas größere runde, nach oben hin spitz zulaufende Steinbauten stehen oft mitten auf oder am Rande der Weiden, zum Teil sogar efeuüberwachsen. Schafhirten haben ehemals hier bei Bedarf Unterschlupf gefunden. Manchmal schlüpfen heutzutage Pilger in ihnen unter, zur Rast bei sengender Sonne, zum Schutz bei Regen oder Gewitter, vielleicht sogar schon mal zum Übernachten.

Heute ist das Wetter einfach nur zum Helden zeugen. Die Sonne strahlt über das ganze Gesicht, Schäfchenwolken sind auf der Reise und die Temperaturen sind angenehm. Der Blick geht oft zu beiden Wegseiten über Löwenzahnteppiche ins Tal, entlang der hellen Kalksteinmauern lachen einen die verschiedensten Frühlingsblumen und -stauden freudig an, Vögel singen besonders laut und schön und diverse Insekten summen um die Wette. Die Glückshormone schlagen Purzelbaum.

  Annis Tief von gestern scheint auch überwunden. Sira läuft recht passabel an der Leine und gibt sich Mühe, nicht mehr jedem Pilger nachzuhechten. Ich versuche, meiner Tochter etwas die Zweifel an der Zukunft ihres Jakobsweges zu zerstreuen, was mir hoffentlich ein wenig gelingt. Beißende Schäferhunde kommen heute auch nicht vor, Anni ist sehr zufrieden mit dem Heilungsprozess von Siras Ohr und freut sich sehr über die aufmunternden Kommentare zu ihrem Blogeintrag. Die Tipps zur Anschaffung von Pfefferspray zieht sie bei einer Rast ernsthaft in Erwägung und denkt schon, bis zu dessen Erwerb, über die Verwendung eines einfachen Pfefferstreuers nach. Ich bringe eine Pfeffermühle ins Spiel, gebe aber dabei zu bedenken, dass man bei deren notwendigem Einsatz zusehen müsste, sich immer senkrecht über dem angreifenden Hund zu positionieren. Und das gäbe ja wohl irgendwie keinen Sinn. Wir können herzlich bei diesem Gedanken lachen.

Bei der gleichen Rast begeistert Sira wieder mal vorbeikommende Pilgerinnen. Die eine fragt uns, ob sie die feine Hundedame fotografieren dürfe, eine andere zückt direkt aus ihrem Rucksack die angefangene Dose mit Entenpastete und bietet sie der vierbeinigen Pilgerin an - für die kleine Mahlzeit zwischendurch. Siras Zunge kann gar nicht so schnell schlecken, wie sie eigentlich will. Zum Schluss beißt sie noch vor Wonne ins Blech.

Im kleinen pittoresken Ort Faycelles treffen wir eine "alte Bekannte" wieder. Anne, die muntere Deutsch-Schweizerin, läuft uns auf dem kleinen Platz vor der Mairie wieder in die Arme. Zwei Tage lang haben wir uns jetzt unterwegs nicht mehr gesehen. Und es gibt doch so viel zu erzählen ... Die Rast dauert länger. Bevor wir uns wieder trennen, erfahren wir noch, dass sie in Grealou in der selben Unterkunft übernachten wird wie wir.

  Tatsächlich sitzen wir ein paar Stunden später gemeinsam vor der schönen Gite von Esther, einem schweizerischen Wirbelwind, der herzlich um das Wohl der Pilger bemüht ist. Selbst Sira bekommt von ihr einen Hundekorb für die Nacht und eine Extraration Futter. Zu ihren Diensten steht noch Joze, guter Geist und Koch des Hauses. Abends zaubert er uns allen ein leckeres Essen, das wir in der Küche am großen Tisch gemeinsam einnehmen. - Gelebte Pilgergemeinschaft.

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Kommentare: 2
  • #1

    Dani (Dienstag, 23 April 2013 09:37)

    Haha! Sira Superstar. Wie cool!!!

  • #2

    Mama Ingrid (Dienstag, 23 April 2013 23:03)

    Na also! Die Wolken sind weg, die Sonne wieder da, das Bein und die Psyche heilen, Sira wird hofiert und richtig verwöhnt.
    Also wieder alles in Butter! :-)