Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Annika: Bis nach Spanien sind wir versorgt...

Von Lascabanes nach Lauzerte, 25 km

Die Nacht im Doppelzimmer mit unserem stinkenden Hund haben wir genossen. In dem Zimmer, in das die beiden stänkernden Frauen umziehen wollten, war nur noch ein Bett frei, so dass die Tochter auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafen musste. Tja... ich habe es ihr gegönnt. Wegen dieser  zwei Protestler haben wir uns gestern den ganzen Tag unwohl gefühlt. Und aus der Gastgeberin war auch kein Lächeln herauszubekommen. Wir haben uns im Zimmer verkrochen, bis wir heute morgen nach einem schnellen Frühstück die Kurve kratzen konnten. Auf der ganzen Tour habe ich mich noch kein einziges Mal so unwillkommen gefühlt wie hier. Und ein regennasser Hund und mangelnde Sprachkenntnisse sind mir da auch nicht Grund genug... Wie dem auch sei. Wir haken die Sache ab und machen uns um acht Uhr auf die Socken.

Nach circa dreihundert Metern ist Papas Sehnsucht nach unserer herzigen Unterkunft scheinbar zu stark: Er muss zurück. Kameraakku samt Ladegerät vergessen! Mit zehn Minuten Verzögerung und ein paar guten Wünschen und Komplimenten zweier freiwilliger Feuerwehrmänner im Gepäck laufen wir aus Lascabanes hinaus.

Wirklich freundlich sieht der Himmel nicht aus, aber immerhin regnet es nicht. Immerhin! Auch den Rest des Tages bleiben die angekündigten Schauer aus, bis sie uns, zwanzig Minuten vorm Tagesziel, doch noch kurz erwischen.

Gerade den Ortsausgang von Lascabanes hinter uns gelassen, wird Sira unruhig. Den Grund sehe ich schell: Ein Pilger vor uns. Oder besser noch: eine Pilgerin! Blond. Ziemlich forscher Schritt. Hm, könnte Anne sein... Sira ist schon mit dreihundert Metern Entfernung auf der Pirsch. Das MUSS Anne sein! Als Sira verzweifelt beginnt, ihr nachzuhechten und auch zu bellen, wird Anne endlich aufmerksam. Sie begrüßt uns mit Gebrüll, tätschelt Sira und wir erzählen uns von den letzten Tagen. Wir gehen ein Stück zusammen, laufen aber bald wieder getrennt. Anne legt, genauso wie wir, sehr viel Wert auf ihr eigenes Schritttempo. Da wir nunmal schneller sind, ziehen wir davon. In kürzester Zeit überholen wir nun immer wieder Pilger, meist Zweiergruppen.

Die kalkhaltigen Wirtschaftswege, die in den letzten Tagen blendend und mehlig-staubig waren, haben sich durch den Regen über Nacht zu fiesen Panadebehältern entwickelt. Bei jedem Schritt tritt man in eine Art Gipsmasse, die sich an den Sohlen festkrallt und die Schuhe sehr schwer macht. Bei jedem weiteren Schritt steht man wie auf Ballons. Wenn wir zwischendurch mal wieder auf Asphalt dürfen, versuchen wir verzweifelt, die Pampe abzubekommen. Gar nicht so leicht... Außerdem ist dieser Bodenbelag nach Regen eine echt glitschige Angelegenheit. Da schlingert man ganz schön.

Auf einem längeren Stück auf der Landstraße sind wir alle drei baff: Ein weiterer Pilgerhund treibt sich da vorne nebst menschlichem Anhang herum! Allerdings ein weitaus kleineres Exemplar als Sira. Von jetzt an hechtet Sira - wer hätte es auch anders erwartet - dem kleinen Bruder im Geiste nach, bis wir ihn erreicht haben. Ihm ist Siras Rucksack gar nicht geheuer... Er bellt und knurrt und will nicht so recht Freund werden. Ich unterhalte mich kurz mit den Besitzern. Seit gestern sind sie nun für zwei Wochen unterwegs. Die Frau trägt einen Rucksack auf dem Rücken und eine Art Sporttasche vor dem Bauch. Wenn Fiffi müde wird oder Pfotenprobleme hat, kommt er da rein. Jau, das würde mir noch fehlen! Mir die müde Sira vor den Bauch schnallen... Jeder so, wie er meint. Wir wünschen viel Glück und ziehen davon.

In Montcuq kommen uns zwei verzweifelt kichernde Frauen entgegen. Offensichtlich haben sie sich im Ort verlaufen und unser Wanderzeichen nicht mehr gefunden. Erleichtert ziehen sie von hier aus vor uns her, bis sie nach dreihundert Metern wieder einen Abzweig verpassen und um ein Haar falsch gelaufen wären. Mädels, bisschen aufmerksamer bitte! Wir weisen sie auf den richtigen Weg und verlieren sie bald wieder.

Nun laufen wir durch Hohlwege, die inzwischen auffallend dicht werden. Die Bäume und Sträucher bekommen Blätter. Sie werden saftig grün. Auch die seltengesäten Weinreben auf den Feldern beginnen zu treiben. Das Leben kommt zurück in Wald und Wiese! Ich bin begeistert.

Als wir gerade aus dem Wäldchen in einen Wiesenabschnitt gelangen, bleibt Sira plötzlich wie angewurzelt stehen. Zwei große Hunde nähern sich schweigend, aber wie eine geschlossene Mauer. Wir aktivieren Papas Schirm. Nur für den Fall... Aber es ist gar nicht nötig. Die zwei werden von der Besitzerin zurückgerufen und kuschen. Wir passieren problemlos.

Kurze Zeit später ist es wieder Zeit für einen Zwischenstopp; Regen setzt ein. Also Rucksack ab, Fleece aus, Regenjacke an, Rucksackpelerine drüber und weiter geht's.

Auf dem lehmigen Boden sehen wir vermehrt kleine Hufabdrücke, die vermutlich von einem Pilgeresel stammen. Da der Boden gestern fest gewesen ist, muss er heute diese Fußabdrücke in den Boden gestanzt haben. Vielleicht sehen wir ihn ja die Tage noch. Auf jeden Fall denke ich an hakeligen, schwierigen Wegabschnitten immer wieder an den Armen. Vor allem bei Brücken und Bächen, da man ja weiß, wie störrisch ein Esel Arbeitsverweigerung betreiben kann. Ich wünsche dem Eselpilger im Geiste alles Gute.

Bald erreichen wir am Fuß des Berges von Lauzerte einen Intermarche Supermarkt. Juhuu, da kann die Anni wieder Großeinkäufe machen!!! Tut sie dann auch, allerdings ist das immer noch im Rahmen. Heute gibt es lecker Cordon Bleu mit Salat. Hmmm!

Und als ich abends mit dem Hund mein Ründchen drehe und in die Fenster der Leute schaue, wirkt es fast, als wären wir noch mitten im Mittelalter. Alte Kessel an den Wänden, schöne große Gasherde- und Backöfen. Und alles wirkt so warm und gemütlich.

Während ich blogge, reserviert uns Papa die Unterkünfte der kommenden Tage. Und er hat einen Lauf. Bis St-Jean sind wir nun versorgt mit Unterkünften.

Ich glaub´s ja immer noch nicht. Nicht mehr sooooo lange, dann sind wir tatsächlich auf dem "echten", dem spanischen Hauptweg. Ich glaub´s ja nicht!!!

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Kommentare: 3
  • #1

    Sebastian (Sonntag, 28 April 2013 10:56)

    Ihr könntet Sira auch mal ein Stückchen tragen, finde ich...

  • #2

    Dani (Montag, 29 April 2013 09:55)

    Also dass der Vatter nen forschen Schritt drauf hat, weiß ich ja. Aber Anni?! Hut ab!

  • #3

    Mama Ingrid (Dienstag, 30 April 2013 00:13)

    Hihihaha, Anni mit nem Riesenbeutel vorm Bauch, und Sira sitzt drin! Ich schrei mich weg...
    Aber ich finds süß von den Leuten, dass sie ihr Hündchen nicht allein lassen wollten und es mitschleppen, und es hat nunmal nicht Siras lange Beine