Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Reinhard: Kuchen im Gepäck

Von Monneton nach Aire sur l'Adour, 32 km

Der Wein der Region ist mir gut bekommen. Ohne jedes Problem kann ich aufstehen, als Anni mich um kurz nach 6 Uhr wachrüttelt und Sira mir zum Guten-Morgen-Gruß übers Ohr leckt. Keine Kopfschmerzen, keine Gleichgewichtsprobleme, kein Nachdurst - es kann weitergehen.

Unten in der Pilgerküche trifft sich die Pilgergilde so nach und nach zum Frühstück und - wie am Abend zuvor beim Rotwein versprochen - steht der Herr des Hauses zum Abschied vor der Tür und wünscht uns allen ein "Bon route!" Das war ein Haus zum Wohlfühlen - wieder mal.

Auf der Hauptstraße geht es nach Nogaro. Kaum im Ort angekommen, verschwinden Nanni und Johan in einer Boulangerie. Heraus kommen sie wieder mit etwas, das aussieht, wie eine flache Pizzaschachtel. Drinnen verbirgt sich aber ein Kuchen, den die Beiden heute zum Anlass des letzten gemeinsamen Pilgertages mit uns irgendwo unterwegs vernaschen
wollen. Eine ausgesprochen gute Idee! Nur der Transport einer solchen "Kuchenplatte" wirft Fragen auf. Ein Blick auf mein Wheely gibt schnell die Antwort. "So'n kleiner Kuchen passt da ja wohl auch noch drauf!" Kaum gedacht, schon klemmt er unterm Spanngurt.

Von da an fahre ich Kuchen durch die Kernlandschaft des Armagnac, der Heimat der drei Musketiere. Ich sehe sie förmlich über die Felder und durch die Weinhänge reiten und gegen die Feinde Frankreichs kämpfen. Und wenn sie denn siegreich sind, striegeln sie ihre Pferde oder liegen in den Armen schöner Frauen. Ich aber fahre mit einem Wheely KUCHEN durch ihre Heimat!

Bei wieder mal herrlichem Sonnenschein schlängeln wir uns durchs Land. Das frische grüne Weinlaub an den Rebstöcken entlang des Weges erinnert mich an die Weinhänge in Burgund, die damals noch weit von diesem Entwicklungsstand entfernt waren. Wie lang ist das eigentlich schon her? Der Kuckuck ist immer noch bei uns. Jeden Morgen grüßt er uns mit seinem Ruf, und wenn es dann doch mal Nachmittag wird, hat er wahrscheinlich nur verschlafen.

In Lanne-Soubiran, direkt bei einem kleinen Bauernhof, ist es dann endlich so weit. Die Bäuerin, die gerade Wäsche im Garten aufhängt, erlaubt uns, eine auf ihrem Grundstück liegende Terrasse zu benutzen, und wir werfen uns in die Plastikstühle. Es ist Mittagszeit und damit die beste Zeit, Apfelkuchen zu essen. Nanni schneidet ihn in gerechte Stücke auf, und damit er in der Sonne nicht zu warm wird, ist er ruckzuck in unseren Mägen verschwunden.

Kuchen gibt es heute auch in Lelin, einem Dorf etwa acht Kilometer weiter. In Lelin ist Gemeindefest. Hier gibt es nicht nur Kuchen, sondern auch Trödel jeder Art. Wir setzen uns in eine schattige Ecke und schauen dem Trödeltreiben zu. Eigentlich warte ich ja nur darauf, dass es einem meiner jungen Mitpilger einfällt, etwas Wunderschönes, ganz Seltenes, Schon-immer-gesuchtes aus der Trödel-Auswahl zu erwerben. Platz genug zum Transportieren hätte ich auf meinem Wheely ja noch. Aber erstaunlicherweise kommt keine(r) auf die Idee. So ziehen wir dann nach einer Dreiviertelstunde weiter.

Der Rest des Weges wird schon fast eine Hitzeschlacht. Immer wieder bekommt Sira von Anni Wasser in ihre Schüssel geschüttet und säuft gierig. Flach und gerade laufen wir zwei Stunden ohne Schatten durch die Sonne und sind froh, als wir endlich in Aire-sur-l'Adour einlaufen.

In der Gite Hospitalet St-Jacques begrüßt uns Herbergsvater Andre mit festem Händedruck und einer Kanne heißem Tee. Als er etwas von meiner schmerzenden Schulter mitbekommt, wird er physiotherapeutisch tätig. Er legt mir eine Hand auf den täglich nervenden Schultermuskel und stellt sofort eine Verspannung fest. Nach seiner Aufforderung, meine Hände über dem Kopf zu falten, umfängt dieser Schrank von einem Mann mich mit seinen Armen, quetscht mich erbarmungslos zusammen, dass mir fast der Atem wegbleibt, hebt mich zehn Zentimeter vom Boden ab und schüttelt mich. Es knackt irgendwo in meinem Inneren und Andre stellt mich zufrieden grunzend wieder auf den Boden. Wir beide meinen, ich wäre geheilt.

Danach zeigt uns Andre unser Zimmer, Nanni und Johan bekommen die Erlaubnis, im Garten zu zelten. Zum Abendessen treffen wir uns alle gemeinsam am großen Tisch und Andre und seine Frau Odile singen uns das Pilgerlied "Ultreia" vor. Ich denke, wir werden es in Spanien noch öfter hören. Das ersten Mal wird am Tisch, von Andre angeregt, gemeinsam gebetet. Auch das wird nicht das letzte Mal gewesen sein.
 

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Kommentare: 2
  • #1

    Dani (Donnerstag, 09 Mai 2013 10:22)

    Also, nach einem Blick in Nannis Fotos muss ich sagen, dass ich mir den Karren deutlich größer vorgestellt habe. Auf der Trabrennbahn sehe ich dich damit nicht

  • #2

    Mama Ingrid (Freitag, 10 Mai 2013 23:02)

    Hihi, ein Musketier mit Kuchen-Wheely!
    Irgendwie höre ich immer Essen, essen essen. Kuchen in Riesenportionen, französische Abendessen, Wein in Strömen. Auch wenn ihr täglich ein paar Kalorien verbraucht, SO werdet ihr kein Gramm abnehmen. Kein Gramm!