Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Annika: Wir werden doch wohl nicht eine Nacht obdachlos sein?!?

Von Pomps nach Sauvelade, 24 km

Das war ja mal abenteuerlich! In unserer Turnhalle verbringen nicht nur wir die Nacht, sondern auch ein Schwarm Vögel. Als wir uns abends häuslich einrichten, herrscht ein Gezwitscher und Geflatter über unseren Köpfen. Wir fürchten noch, in der Nacht vor lauter Vogelzirkus nicht schlafen zu können. Bei Einbruch der Nacht werden wir eines Besseren belehrt: Ruhe kehrt ein. Erst am nächsten Morgen erwacht das muntere Trüppchen wieder zum Leben, quasi zeitgleich mit meinem Wecker.

Weniger freundlich gesinnt ist uns aber die Turnhallenbeleuchtung. Sie lässt sich nirgendwo ausschalten. Selbst der Sicherungskasten ist uns keine Hilfe. Also schlafen wir bei Festbeleuchtung. Sira ist davon so irritiert, dass sie mehrmals nachts ein paar Runden durch die Turnhalle dreht.

Bald verlassen wir Pomps und laufen wieder mal über Teerstraßen und durch endlose Felder und Äcker. Wieder mal ist es irgendwie heiß. Mehrmals versuche ich, Sira zum Trinken zu animieren, was nur mäßig Erfolg hat. Dann muss Papa ran. Mit begeistertem tiefkehligem "Hmmmm!"- und "Ooooohh!"-Rufen rührt er in der Wasserschüssel rum. Lustigerweise trinkt Sira dann immer sofort. Vielleicht braucht sie nur grundsätzlich jemanden, der sich für sie zum Deppen macht.

  Im nächsten größeren Ort, Arthez-de-Bearn, machen wir Pause. Wir sind froh, als wir einen kleinen Snackstop mit Mini-Einkaufsmöglichkeit finden, der heute geöffnet hat, denn es ist der 8. Mai, Tag des Sieges der Franzosen über die Deutschen im zweiten Weltkrieg. Die Frau im Snackstop erzählt, sie sei die einzig offene Epicerie im Ort, wegen dem Feiertag. Wir bestellen uns ein Baguette und Getränke und rasten in der Sonne. Die gesamte Energie unserer Pause widmen wir der verzweifelten Suche nach einem Schlafplatz in St.-Jean-Pied-de-Port. Seit Tagen versuchen wir nun schon, drei Betten zu bekommen für Samstag, mit Hund. Da Veronika ab Samstag wieder mit von der Partie ist, sind wir zu dritt. Mit dem Hund lässt sich kaum eine Unterkunft finden. Und wenn, dann sind sie ausgebucht. Es ist schließlich Samstag, und dann auch noch public holiday! Auch über Touri-Info und Pilgerhilfe ist nichts zu machen. Man rät uns, am Samstag einfach persönlich die einzelnen Institutionen abzuklappern. Das sagen die so... Und wenn wir dann auch nichts kriegen? Wo schlafen wir, wenn es wirklich keine Unterkunft für uns gibt? Ach, hätte ich doch nur mein Zelt! Oder wenigstens Isomatte und Schlafsack. Aber so habe ich einfach nur ganz existenzielle Angst. Vielleicht ist es ja wirklich so, wie Papa sagt, und der gute Jakobus wird uns am Samstag irgendein Türchen öffnen. Ich hoffe es!

  Bei der Frau im Snackstop kaufen wir noch überteuerte Milch und Kekse, da sie schließlich der einzige offene Laden ist. Wir verabschieden uns, gehen um die Ecke - und hundert Meter weiter stehen wir  vor einem betriebsamen  Supermarkt. Was war das denn für eine Nummer?!? Da wollte die Frau vom Imbiss wohl Geschäfte machen.

  Nach weiteren hundert Metern eine Menschenansammlung. Männer in Uniform salutieren vorm Kriegerdenkmal. Die Feuerwehr steht auch stramm. Aus Lautsprechern dröhnt die französische Nationalhymne. Ein Blumenkranz wird niedergelegt. Vive la France!

Nach weiteren zwei Stunden Marsch ist schon wieder Pausenzeit. Und der Himmel zieht sich langsam zu. Die ersten Tröpfchen fallen. Nicht nur der Himmel, sondern auch unsere Stimmung verdüstert sich so langsam. Auch weiterhin lässt sich kein Unterschlupf in St.-Jean finden.

  Als wir zum letzten Drittel aufbrechen, laufen wir geradewegs in den Dauerniesel, der uns auch bis zur Gite begleitet. Das  hab ich ja am Liebsten! Feierabend-Regen! Damit auch ja jeder was vom Hundearoma hat!

  Naja, hilft ja nix. Als ich endlich richtig nass bin, erreichen wir unsere "Gite Nadette" hinter Sauvelade. Und siehe da! Unsere Japanerin ist auch da! Als erstes werden wir allerdings von kräftigem Hundegebell begrüßt. Hermine, eine einjährige, riesige, aber freundlich-verspielte Pyrenäenhündin nimmt erst Sira in Augenschein und dann uns. Sira hat es ja nicht so  richtig mit Junghunden. Vor allem, wenn die dann noch solche Kolosse sind! Nachdem sie sich vom ersten Herzklabaster erholt hat, kommt auch schon Nadette, die Gite-Besitzerin, herausgewirbelt. In einer extrem hektischen und lauten Mischung aus Französisch und Englisch heißt sie uns willkommen und fragt zur Sicherheit noch einmal: Mit dem Hund oder im schönen Zimmer? Meine Antwort ist klar: Hund! Sie nickt, halb verständnislos, halb bewundernd und führt uns in einen Holzverschlag mit Schiebetüren, die man rundherum aufziehen kann. In der Hütte stehen ein Doppelbett, eine Sonnenliege und eine Bank. Ich glaube, das hier ist das Winterlager für die Poolmöbel. Zwischen Wand und Dach befindet sich ein offener Spalt, ein Dreieck von circa 60 cm Höhe. In den Ecken, wo die Schiebetüren sich überschneiden (oder eben nicht), ist ein 15 cm breiter offener Streifen, durch den Sira so gerade eben nicht durchpasst. Dafür dient er ihr prima als Fensterersatz. Kaum nehmen wir unser Kämmerlein in Augenschein, springt auch schon Hermine an uns vorbei, dicht gefolgt von Sira. Und dabei muss man sagen, dass man sich hier schon alleine kaum um die eigene Achse drehen kann aus Platzmangel. Mit diesen beiden Riesenkamelen grenzt das an einen akrobatischen Akt.

  Mir reicht's! Sira kommt erstmal im Garten an die Schleppleine, damit wir uns einrichten können. Die nächste halbe Stunde rennen die zwei hin und her, jagen sich, fliegen übereinander und freuen sich. Sira hat danach überall weiße Fellbüschel hängen, im Maul, an den Pfoten, an der Leine. Bäh, da soll nochmal einer sagen, die Sira haart!

Nadette platziert auf der Gartenliege ein altes Laken, für Sira. Haha, da kenn ich meinen Hund aber besser! Die legt sich im Leben nicht auf ein nachgiebiges Rattanding. Als Nadette weg ist, verrücke ich alle Möbel, damit Sira den beste Platz kriegt. Wie immer!

  Als wir zum Essen gehen, passt Sira das gar nicht. Sie jault und bellt, was das Zeug hält. Übertönt wird sie allerdings von Nadette, die wieder mal in drei Sprachen und sehr lautstark redet, aufsteht, rumwuselt, jeden unterbricht und nebenbei noch Essen serviert. Janine, der vierte und französische Übernachtungsgast, ordnet sie ein als: "The lady is very special!" Recht hat sie!

  So langsam befürchte ich, dass ich in unserem Kabuff heute Nacht tierisch frieren werde. Nadette ist so nett, uns eine weitere, unendlich schwere Decke zu geben und mir macht sie noch eine Wärmflasche. Hoooooohooho.... Wie zu Hause! Da werden Heimatgefühle wach. Hoffentlich rettet sie mich in der Nacht!

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Kommentare: 2
  • #1

    Mama Ingrid (Samstag, 11 Mai 2013)

    Mit dem Vogelzirkus habt ihr nun ja mal schon so ein Gefühl fürs Übernachten im Freien bekommen.
    Also, die Sonne scheint hier auch immer wieder zwischendurch, aber von "heiß" noch keine Spur! :-(
    Hermine und Sira! Ich finds total schön, dass sie immer mal wieder auch jemand Nettes kennen lernt :-)

  • #2

    Dani (Dienstag, 14 Mai 2013 14:45)

    So ist das richtig: für Prinzessin Sira immer den besten Platz.