Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Annika: Blutsauger!

Von Castrojeriz nach Frómista, 26 km

Die zweite Nacht im Zelt ist nicht weniger spannend als die erste. Sira braucht aber erstaunlicherweise viel länger als letztes Mal, um mit dem Zelt Freundschaft zu schließen. Sie will nicht reinkommen, und als sie dann drin ist, läuft sie unruhig herum (soweit das in einem Zelt eben möglich ist) und beschnüffelt alles.

 

Dieses Mal ist die Geräuschkulisse weitaus vielfältiger. Wir hören die Hunde in der Nachbarschaft bellen (Sira reagiert darauf mit souveräner Missachtung), Autos vorbeifahren, die Kirchenglocken läuten und Camper vorbeigehen. Den gesamten Rest der Nacht hören wir außerdem eines der Pilgerpferde, die gestern Nachmittag noch hier eingeritten sind, erbärmlich husten, den Wind pfeifen und den leichten Regen aufs Zeltdach tropfen.

 

Trotzdem gefällt mir die Nacht! Und kalt ist mir auch nicht, ich wage mich fast zu sagen, an den Beinen ist mir warm. Sira nimmt das Ganze letztendlich auch wieder ganz locker.

 

Obwohl ich heute Nacht oft wach war und ich mich viel hin und her gedreht habe, bin ich am Morgen erstaunlich ausgeruht. Da mein Handy-Akku sich im Zelt so schlecht laden lässt, hat sich morgens um drei also auch noch mein Wecker verabschiedet. Trotzdem werde ich um 6.02 Uhr wach. Das nenne ich mal ne innere Uhr!

 

Der Campingplatz ist noch totenstill, als wir beginnen, unser Zelt einzupacken. Ich stelle fest, dass das Ganze beim zweiten Mal viel schneller geht als beim ersten. Pah! Nach ein paar Mal Auf- und Abbauen geht das Ruckzuck! Heute noch nicht...

 

  Erst um neun Uhr ziehen wir los. Zuerst müssen wir durch Castrojeriz, einem Ort, der sich einmal komplett um den Fuß eines Berges herum zieht. Meine Güte, dieses Dorf nimmt ja kein Ende! Erst nach über einer halben Stunde laufen wir endlich wieder durch die wilde Meseta.

 

  Das Wetter hat sich nach heute Nacht inzwischen wieder eingekriegt. Rechtzeitig vor der ersten und quasi einzigen Anhöhe des Tages, strahlt die Sonne verlockend. In weiser Voraussicht schälen wir uns schnell aus unserer obersten Bekleidungsschicht. Eigentlich müsste auch Sonnencreme auf die freigelegte Haut, aber so kurz vor der Höhenanstrengung würde das nur zur Sauerei werden. Also wetze ich den Tafelberg rauf, um mich oben einzucremen. Papa braucht noch etwas länger, um sich komplett wieder "anzurödeln", also kommt er nach.

 

Huiuiui, dieser Berg ist nicht ohne! Als ich, oben angekommen, auf Papa warte, quatscht man uns mal wieder mehrfach an. Man gewöhnt sich dran...

 

Die nächste Stunde laufen wir durch die Felder der Meseta, bis zu einem (laut Wanderführer) "schattigen Rastplatz bei der Quelle". Naja, schattig will das aber erst noch werden. Es sind noch junge Bäume. Wie gut, dass wir bei dem starken Wind auch erstmal keinen Schatten brauchen!

 

Auch hier hat wieder, wie bei jeder anderen Rastgelegenheit, jemand ein Geschäft gewittert. Ein Mann verkauft Obst, Kalt- und Heißgetränke und Süßes. Aber wir sind noch zu früh, unsere Pausenzeit ist noch nicht gekommen.

 

Wir laufen noch gute drei Kilometer bis Itero de la Vega, und lassen uns dann im Innenhof der Albergue "La Mochila" nieder, wo die Belegschaft als erstes Mal Sira verhätschelt und mit Wasser versorgt und dann uns bedient.

 

Wir kommen mit einem spanischen Pilger ins Gespräch, der überraschend gut deutsch spricht. Nicht nur das... Irgendetwas an seiner Sprechweise klingt in unseren Ohren merkwürdig vertraut, obwohl er doch so einen starken spanischen Akzent hat. Irgendwann im Laufe der Unterhaltung wird es uns klar: Er habe 15 Jahre lang bei Opel gearbeitet und in Gelsenkirchen gewohnt. Ha! Das ist es also! Irgendwie ein Junge aus der alten Heimat! Lustig, dass man bei so viel Akzent auch noch so viel Dialekt raushören kann! Wir essen, wir trinken, wir holen Büroarbeit nach, und eh wir uns versehen, sind anderthalb Stunden um. Ach du je, jetzt aber weiter!

 

Wir bewandern die landwirtschaftlich geprägte Tierra de Campos, eine der charakteristischsten Landschaften des Jakobsweges, bevor wir Boadilla del Camino erreichen, wo wir noch einmal rasten und uns unser spanischer Ruhrgebietler die Unterkunft für Übermorgen klarmacht. Achtzehn Euro für das Doppelzimmer, da kann man nicht meckern. Zelten auf dem Campingplatz ist hierzulande auch nur einen Euro pro Person billiger... Man muss sehen, wo man bleibt...

 

  Die letzten sechs Kilometer bis Frómista laufen wir weiter durch die Felder, bis wir den Canal de Castilia  erreichen, der im 18. Jhdt. als Transportweg für die Erträge der Tierra de Campos geplant wurde und heutzutage zu deren Bewässerung dient. Irgendwie scheint der Boden hier etwas Besonderes an sich zu haben. In erster Linie Massen von Zecken. Als wir kurz vor Frómista innehalten, um uns mit einer Gruppe Amerikanern zu unterhalten, sehe ich, wie sie sich in Heerscharen von unten an Siras Beinen  hocharbeiten. Glücklicherweise ist ihr Fell so hell und kurz, dass sie kaum eine Chance haben, unbemerkt zu bleiben. Trotzdem staune ich nicht schlecht, als ich sie von insgesamt 23 Blutsaugern befreit habe, bevor sie zuschlagen konnten. Für Sira ist das ein Fest. Zecken scheinen für sie ein geschmacklicher Hochgenuss zu sein. Sobald sie merkt, dass ich auf Zeckenkurs bin, muss sie intensivst meine Hände untersuchen, bis sie das Mistvieh gefunden hat. Dabei tropft ihr der Sabber tatsächlich in Fäden vom Maul. Und das hab ich bei ihr noch nie gesehen, außer in Zusammenhang mit Zecken. Manchmal ist mein Hund eklig.

 

In unserer Motel-ähnlichen Unterkunft untersuche ich Sira nochmal sehr gründlich. Ich hoffe, ich habe keine übersehen!

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Kommentare: 3
  • #1

    Mama Ingrid (Dienstag, 28 Mai 2013 23:52)

    Hey, Anni, no panic on the Titanic! Ist doch bisher alles gut gegangen mit Sira! Wer hätte auch gedacht, dass sie in Spanien so hofiert wird!
    Nene, ich glaupet ja nich, en spanischer Gelsenkirchener, mitten inne Meseta! Manchma isset Glück einfach mit einen :-)

  • #2

    Wilf (Donnerstag, 30 Mai 2013 21:00)

    Liebe Anni
    Hundekrankheit Hepatotoonose!
    Endwirt des Erregers der „Hepatotoonose“ ist die Braune Hundzecke.
    Hepatozoon-Erreger werden nicht durch den Saugakt der Zecke übertragen, sondern die Zecke muss vom Hund gefressen werden.
    Hepatozoon-Infektionen werden in den deutschsprachigen Ländern derzeit noch selten diagnostiziert. In Italien, Spanien, Südfrankreich ist die Krankheit jedoch weit verbreitet.
    Bitte verhindere unbedingt, dass Sira weiter Zecken frisst.
    Viel Glück und bon camino

  • #3

    Dani (Freitag, 31 Mai 2013 12:49)

    Wer hätte gedacht, dass der prominenteste Hund Spaniens so eklig ist. Baaaaaah!!!!