Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Reinhard: Zelten: Nächster Versuch!

Von Ledigos nach Sahagun, 18 km

Ich habe in meinem (ungewollten) Einzelzimmer der Pilgerherberge von Ledigos gut geschlafen. Ich hoffe, dass Anni draußen im Zelt das auch sagen kann. Es MUSS kalt gewesen sein. Die Nacht war sternenklar, dazu der Wind ... Nach einer schnellen Katzenwäsche und einem hastigen Zusammenpacken meiner Sachen will ich zu ihr. Zu meinem Erstaunen (oder besser Entsetzen) ist die schwere Tür von der Herberge nach draußen auf die Wiese verriegelt. Ich kann sie zwar von Innen öffnen, Anni aber nicht von Außen. Wenn sie nun rein wollte, weil ihr zu kalt wurde? Oder wenn sie zur Toilette musste? Man kann sie doch nicht einfach aussperren! Sind zeltende Pilger Pilger zweiter Klasse? Nur weil man von ihnen nicht den vollen Übernachtungspreis verlangen kann?

Geschwitzt hat Anni im Zelt nicht, aber ganz gut überlebt. Sie wuselt schon im Zelt rum, ein gutes Zeichen. Der Zeltabbau geht jetzt schon zügiger, so langsam sitzen die Handgriffe. Trotzdem ist nicht zu vermeiden, dass die Morgenkälte so langsam die Knochen hochzieht. Zum Frühstücken und Aufwärmen verziehen wir uns in den Aufenthaltsraum, da soll mal einer was sagen.

Beim Abmarsch treffen wir vor dem Tor der Herberge Ricarda wieder, mit der wir uns in Hornillos del Camino ein Weilchen unterhalten hatten. Sie ist bereits um kurz vor 7 Uhr in Calzadilla de la Cueza losgegangen, dem Dorf vor Ledigos. In der Bar unserer Herberge hat sie gefrühstückt, denn dieses Angebot gibt es oft in den einfachen gemeindlichen oder kirchlichen Herbergen nicht. Satt wird von diesen Mahlzeiten sowieso niemand, aber man hat wenigstens etwas im Magen. Ohne ein zweites Frühstück spätestens in der Bar im übernächsten Dorf oder aus dem eigenen Rucksack kommt man nicht aus.

Ricarda fragt, ob sie mit uns gehen könne und wir stimmen gerne zu. Wir unterhalten uns angeregt - und rennen in Terradillos de los Templarius prompt am richtigen Wegeabzweig vorbei. Wir sind zwar auch nicht vollkommen falsch, müssen nur für die nächsten Kilometer an der N 120 entlang, der großen Schnellstraße, die uns auf dem Jakobsweg bereits seit Logroño in mal größerem, mal geringerem Abstand begleitet und dies auch noch bis Leon tun wird. Irgendwann ist uns diese Streckenführung dann doch zu blöd, sehen wir doch in gar nicht so weiter Entfernung einige Pilger auf einer anderen Strecke dahinziehen. Also biegen wir bei nächster Gelegenheit nach links in einen Feldweg ein in der Hoffnung, bald wieder auf den richtigen Weg zu gelangen. Die Hoffnung trügt! Wir landen auf einem Feld, auf dem gerade das gemähte Gras ins Heustadium übergeht. Zurück zur Straße oder durchschlagen? Durchschlagen! Als das Heufeld zu Ende ist, kommen wir an einen breiten Bachgraben. Zurück oder durchschlagen? Durchschlagen! Wir wenden uns nach links und queren den Rand eines frisch eingesäten Ackers. Gottseidank ist der Boden nicht regennass, sonst würden wir jetzt im Schlamm versinken. So haben wir Glück und stoßen tatsächlich auf den richtigen Weg.

Anders als gestern, wo wir schon um 9 Uhr sahen, wer uns um 11 Uhr entgegen kam, verläuft heute der Weg über die Meseta in einem leichten Auf und Ab. Die nächsten Dörfer folgen in Drei-Kilometer-Abständen: Moratinos, San Nicolás. Ruhige Dörfer sind es, kein Mensch ist auf der Straße. Die Kirche steht im Mittelpunkt, nicht weit davon entfernt die Bar und/oder die Pilgerherberge. Viele Mauern, sogar Häuser sind aus mit Stroh versetztem Lehm gebaut.

Vor der Albergue-Bar von San Nicolás neben der Kirche stehen Tische und Stühle draußen vor der Tür in der Sonne. Die letzten Pilger, die hier übernachtet haben, verlassen gerade das Haus, als Ricarda, Anni und ich uns zur Rast niederlassen. Sira bekommt ihr Plätzchen auf einer kleinen Grünfläche und verhält sich, wie gewohnt, vorbildlich. Die Hundejungs des Dorfes schauen unaufgeregt vorbei und werden genauso unaufgeregt von Sira begrüßt. Wenn das so weitergeht mit den "gefährlichen spanischen Straßenhunden", können wir sehr zufrieden sein.

Nach kurzer Zeit gesellt sich ein weiteres deutsches Mädel zu uns und der Austausch zwischen Landsleuten geht weiter. Zwischendurch ziehen weitere Pilger vorbei und oft hören wir wieder das gegenseitige "Buen Camino!" Sira wird von vielen wieder gestreichelt und geherzt, fotografiert sowieso.

Nach fast einer Stunde gehen wir weiter. Unsere Pausen sind lang, unser Schritt dafür aber schnell, so dass wir viele Vorbeigezogene immer wieder einholen. So sehen wir viele am Tag fünf, sechs Mal, prägen uns ihre Gesichter ein, sprechen irgendwann intensiver miteinander. So entstehen die Pilgerbekanntschaften, auch wenn wir nicht abends mit ihnen in Pilgerherbergen weiter kommunizieren können.

Von San Nicolás bis zum Ziel Sahagun geht es nun doch wieder auf einer breiten Schotterpiste direkt neben der N 120 her. Manchmal ertönt von dort ein anfeuerndes Hupkonzert, meist von LKW-Fahrern. Danke, Jungs! Hinter einem Hügel sehen wir dann die Häuser, Kirchen und vor allem den riesigen Getreidespeicher von Sahagun vor uns liegen. Der Weg zieht sich durch Sonne und Wind noch etwas hin, dann stehen wir mit Ricarda vor der städtischen Herberge, die im Dachgeschoss der Kirche Iglesia de la Trinidad untergebracht ist. Da es hier ebenfalls ein Touristenbüro gibt, nutzen wir die Gelegenheit und fragen nach, wo der örtliche Campingplatz ist. Noch mehr interessiert uns, ob er auch geöffnet ist. Da haben wir ja so unsere Erfahrungen machen müssen. Die Auskunft beruhigt: Er liegt direkt am Camino am Ortsausgang und wartet auf Gäste. Na bitte, endlich kann ich zelten! Und die Nachttemperaturen werden auch erträglicher: 4° C. Das ist doch nix!

Auf dem Weg dorthin noch ein Einkauf, ein Bummel durch die nicht gerade spektakulär schöne Stadt, dann stehen wir auf unserer kleinen Camping-Parzelle. Noch ist es ruhig, aber zwei Stunden später setzt hier der Wochenendbetrieb ein. Spanische Dauercamper fallen in Massen über den Platz her und belegen ihre angestammten
Hauszelte oder Caravans. Rasenflächen werden gemäht, Autos ausgeladen, Parzellennachbarn begrüßen sich lauthals und bald auch fahren schon Kinder mit klapprigen Fahrrädern und lauthals schreiend über die Wege.

Ich habe es ja schon gesagt: Ich freue mich, endlich mal wieder draußen in der Natur zelten zu dürfen!

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Mama Ingrid (Freitag, 31 Mai 2013 23:38)

    Hihi, nun ist es also soweit! Der Pilgeropa im Zelt! Bin gespannt, mit wem Sira in inniger Umarmung übernachtet :-)

  • #2

    Dani (Montag, 03 Juni 2013 17:10)

    Na endlich!!!!