Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Sira: Immer diese neuen Schlafplätze...

Von Sahagun nach Calzadilla de los Hermanillos, 15 km

Was soll denn das jetzt schon wieder?!? Ich mache ja eine Menge mit und beschwer mich nur ganz selten, aber jetzt reicht's mir langsam. Ich habe mich dran gewöhnt, jede Nacht woanders zu schlafen. Ich bin immer nett zu all den Leuten, die ich immer wieder treffe und auch zu allen, die neu sind. Ich belle nur, wenn mich etwas wirklich so doll aufregt, dass ich nicht mehr anders kann. Ich gehe fast jedem Streit mit anderen Hunden aus dem Weg, selbst wenn die noch so doof sind . Ich lege mich sogar mit Frauchen in diese große, raschelnde Knisterkiste. Am Anfang fand ich sie gruselig, aber Frauchen meinte, das ist nicht schlimm. Jetzt hab ich mich daran gewöhnt und weiß, dass das auch irgendwie schön ist, weil ich endlich mal wieder ganz nah bei Frauchen liegen kann. Das ist so schön, da rücke ich extra noch ein Stück näher und schlafe ganz schnell und tief ein, damit sie ja nicht mehr unter mir abhaut.

Als meine beiden Menschen dann gestern Abend das Zelt aufgebaut haben, hab ich mich schon auf die Kuschelnacht gefreut. Deswegen hab ich extra auch ein bisschen mitgeholfen. Dann laufe ich über die Plane, damit sie ordentlich verteilt ist und verteile schonmal die Heringe. Aber nicht so langweilig um das Zelt herum, sondern auf der ganzen Wiese, damit Frauchen auch mal ein Suchspiel machen kann. Wenn sie für mich Sachen versteckt, finde ich das spannend und lustig. Wenn ich das für sie mache, schimpft sie. Manchmal ist sie schon komisch.

Als ich mal wieder vorbeischneie, um zu sehen, wie die zwei vorankommen, merke ich, dass hier etwas nicht stimmt. Irgendwie ist in unserer Höhle weniger Platz als sonst. Da sind zwei Menschenbetten drin! Und wo ist meine Decke? Die liegt ja vor der Höhle! Zwar immer noch unterm Dach, aber nicht mehr so, dass ich mich auf Frauchen rollen kann. Das gefällt mir jetzt aber nicht. Frauchen sagt: "So, Fine, das probieren wir jetzt mal aus." Na toll.

Ich bin beleidigt. Die nächsten Stunden verbringe ich in meinem neuen Kurzzeitzuhause, an der Leine auf der Wiese vorm Zelt. Zugegeben, eigentlich ist das gar nicht sooooo schlecht. Ich habe jeden im Blick, der auf den Campingplatz kommt, guck den Nachbarn bei den Gartenarbeiten zu und beschimpfe jeden anderen Hund, der meinem neuen Zuhause zu nah kommt. Hierauf muss ich jetzt schließlich aufpassen.

Zum Schlafen lege ich mich vor die Höhle, in der meine Menschen liegen. Eigentlich ist das gar nicht so schlimm. Wenn ich viel Theater machen würde, dürfte ich zwar auch noch ins Zelt, aber da ist es mir wirklich zu eng. Also nehme ich es hin und fühle mich ein bisschen wie eine wilde Abenteurerin.

Die ganze Nacht schlafe ich eigentlich ganz gut. Nur wenn Papa zum Klo muss, werd ich wach und als mich nachts zweimal ein anderer Hund beschimpft, muss ich natürlich antworten.

Heute morgen sind meine Knochen ganz schön kalt und ich muss mich erstmal strecken, aber den andern beiden geht es, wie ich sehe, auch nicht besser. Na immerhin.

Zum Frühstück will Frauchen mich sogar reinholen, aber das kann sie sich jetzt auch sparen. Stattdessen arbeite ich lieber noch ein bisschen am Zelt. Ich glaube nämlich, dass da was falsch ist. Rundherum stehen rote Schnüre ab und gehen bis zum Boden. Die stören uns alle, denn wir stolpern andauernd drüber. Papa flucht dann immer und tritt dagegen. Also tu ich ihm und uns allen einen Gefallen und mache sie einfach ab. Gestern eine und heute wieder eine. Dann hab ich sie bald alle ab, sie stören keinen mehr und alle sind zufrieden. Denkste! Als meine Menschen meine Arbeit sehen, sind sie so gar nicht zufrieden. Und das Loch am Wiesenrand, wo ich nur kurz etwas Wichtiges gesucht hab, gefällt ihnen auch nicht. Naja, vielleicht ist die Erde ein bisschen weit geflogen und hat das Zelt beschmiert, aber das passiert schonmal bei wichtigen Ausgrabungen! Ich blicke mit Stolz und keinerlei Schuldgefühlen auf meine Arbeit, also kann mir keiner was.

Heute brauchen meine Menschen wieder verdammt lange mit allem. Das kann sich ja keiner mit ansehen. Hey, ich will los! Damit alles etwas schneller geht, feuere ich mit Jubelhüpfern und gelegentlichen Bell-Jaulgeräuschen munter an.

Irgendwann gehen wir dann endlich los. Ich genieße mein zweites Frühstück. Gestern habe ich eine riesige Wollherde hier vorbeilaufen sehen, die scheinbar überall hingeköttelt hat. Hmm, Schafsknödel schmecken mir richtig gut!

Danach wird es erstmal langweilig. Eine Stunde lang laufen wir an einer großen Straße. Hier fahren nicht viele Autos, aber wenn, dann sind sie schnell. Vor meiner Nase spielt Frauchen mit ihrem doofen Stöckchen. Ich dachte ja, es nervt sie irgendwann und sie wirft es weg, aber das ist leider noch nicht passiert. Hm, vielleicht muss ich da bei Gelegenheit mal nachhelfen...

An der Autobahnbrücke passiert etwas Komisches; Alle anderen Menschen laufen geradeaus, wir biegen aber ab. Alleine kommen wir in Calzada del Coto an, wo ich Katzen verscheuche, wir Pause machen und ich unser gewonnenes Revier gegen fremde Hunde verteidige.

Eigentlich bin ich gar nicht müde. Wir sind ja erst eine Stunde unterwegs. Aber in der Sonne ist es so schön, da tut es richtig gut, sich hinzulümmeln und den Pelz wärmen zu lassen.

Als wir irgendwann weitergehen, laufen wir neun Kilometer lang durch spanisches Buschland, über eine überbreite, braune Piste. Rechts und links größtenteils Acker, ein paar Getreidefelder, kleine Wälder und bunte Blumenwiesen.

Wir können sehr weit gucken, aber trotzdem kann ich keinen Pilger sehen, den ich erwischen muss. Also gehe ich nett bei Frauchen und das freut sich. Und ich mich auch. Es ist schön, mal nicht (im wahrsten Sinne des Wortes) die Nase voll zu haben mit Müffelpilgern. Endlich rieche ich mal wieder hier und da am Wegesrand eine Wildspur, ein Hundehäufchen oder eine Marke, die ein anderer Hund hinterlassen hat.

Es ist zwar sehr schön hier, aber so langsam wird mir zu warm. Schon seit dem letzte n Dorf gab es kaum noch Schatten und Wind ist da auch nicht mehr. Als Frauchen mir meinen Wassernapf hinhält, bin ich ganz schön dankbar.

Und als wir etwas später auf eine schattige, hohe Wiese mit Rastbänken und Brunnen abbiegen, bin ich noch dankbarer. Eigentlich möchte ich mich ins kühle Gras legen, aber die großen Stöcke, die hier herumliegen, fordern mich heraus, also ist Kämpfen und Zerstören angesagt.

Kurz darauf sind wir in Calzadilla de los Hermanillos. Frauchen und ich warten in der Sonne, bis Papa uns angemeldet hat. Dann sagen wieder alle, wie schön und lieb ich bin und ich werde getätschelt. Das könnte ruhig immer so weitergehen!

Und als ich unser Zimmer sehe, wo Frauchen mir meine Decke vorm Bett ausbreitet, weiß ich: Draußen schlafen ist Abenteuer, aber drinnen? - ist manchmal einfach nur gut!

Kommentar schreiben

Kommentare: 8
  • #1

    Mama Ingrid (Samstag, 01 Juni 2013 21:45)

    <<<bingo, Sira, alles richtig gemacht!
    Was für eine Fechheit von deinen Menschen, dich draußen zu lassen! Natürlich darfst du ALLES umgraben und JEDEN anbellen, du hast sogar die PFLICHT dazu!
    Und unterwegs genieße es einfach, die <<<<Pilgerqueen zu sein, DAS begehrte Fotomodel! Wer will Opa und Frauchen schon tätscheln und fotografieren? Sei weiterhin einfach DU und LA MASCOTTA DEL CAMINO!
    Bessos, bessos, bessos

  • #2

    Mama Ingrid (Samstag, 01 Juni 2013 21:52)

    shit, soll natürlich heißen "Frechheit". Mein Laptop spinnt ein wenig, und ich sehe nebenbei ZAP-Arbeiten nach. Sorry!

  • #3

    Mama Ingrid (Samstag, 01 Juni 2013 21:57)

    ...und wieso heißt du "Fine"?

  • #4

    Thea (Sonntag, 02 Juni 2013 14:17)

    Hallo,ihr3, verfolge eure Berichte mit Begeisterung.
    Dani hat seine Wette verloren! Bravo Reinhart!
    Habe eure Adresse weitergegeben an meine Schwestern und an Freundin. Sind inzwischen alle eure Fans.
    Lg aus Essen, weiter so!!!

  • #5

    Ralf (Sonntag, 02 Juni 2013)

    Hallo Sira,
    eine sehr gute Idee es aus Deiner Sicht mal zu schreiben. Es würde sich sogar anbieten, den ganzen Weg mal aus dieser Sicht als Buch zu verfassen. Es wäre ein Renner....bei 40 Mill. Hundebesitzer in Deutschland. :-)
    Sira, sei auf der Hut...die Gegend mit den meisten freilaufenden und wilden Artgenossen kommt erst noch. Nach Leon wird es schlimmer. Hab aber keine Angst, denn die wollen nur spielen oder bewachen ein Grundstück an einer Kette angeleint. Die Kette ist dann manchmal größer als der Artgenosse und/oder das Grundstück es nicht wert, dass man es überhaupt bewacht. Du wirst es aber selber erleben und erkennen was Du für ein supertolles Hundeleben führst. Weiter so....ich lese jeden Tag den Blog.
    Liebe Grüße aus Goch

  • #6

    Reinhard (Sonntag, 02 Juni 2013 22:56)

    Hallo ihr drei,

    euer Blog ist wie eine Sucht - schaue täglich mehrmals nach, ob es einen neuen gibt. Melde mich bis zum 15.06. ab - bin auf dem Ostseeküstenradweg.

    Bis dann - ihr macht alles toll. Ich bewundere euch!

    Reinhard




  • #7

    Dani (Montag, 03 Juni 2013 17:18)

    Brave kleine Sira.

  • #8

    Monika Stiemert (Dienstag, 04 Juni 2013 01:05)

    Hey, Sira,
    du hast eine tolle Sicht auf die Dinge und deine Welt! Weiter so! Freue mich, mehr von dir zu hören!
    Gruß, Monika Stiemert