Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Reinhard: Bitte einmal Dampfgegartes!

Von A Balsa bis Sarria, 16 km

Wir schwelgen. Mareyn, unser holländischer Hospitalero, hat Pfannekuchen gebacken. Mal so ein ganz anderes Frühstück als sonst immer. Im Kaminzimmer sitzen wir alleine und versüßen uns die Pfannekuchen mit verschiedenen Marmeladensorten. Den Kamin müssen wir uns noch vorstellen, denn außer einer großen Tischplatte auf zwei Holzböcken ist der Raum noch leer. Mareyn und Jessica, seine italienische Frau, werden noch viel Arbeit haben, um alles hier fertigzustellen, aber schon jetzt merkt man, dass "El Beso" später mal eine besondere Herberge sein wird.

Das Wetter ist leider recht galicisch, es regnet. Das haben wir so ja nun gar nicht geplant. Nach dem gestrigen herrlichen Wetter war das nicht unbedingt zu erwarten. Aber jetzt sehen wir aus dem großen Fenster mit seinen Altglasscheiben noch nicht einmal den gegenüberliegenden Berghang.

Irgendwas sagt mir jedoch, dass der Regen nicht von langer Dauer sein wird. Also aussitzen! Aussitzen alleine reicht aber nicht, wir sollten die Zeit auch nutzen. Ich frage bei Jessica an, ob sie uns bei der weiteren Unterkunftssuche helfen kann. Eine halbe Stunde später weiß ich, wo wir in dem einen oder anderen Zielort mit Sira unterkommen oder zumindest das Zelt aufstellen können. Erst um 9.30 Uhr verlassen wir El Beso und Mareyn und Jessica stehen winkend am Hoftor.

In A Balsa scheint selbst um diese Uhrzeit noch alles zu schlafen - nur die Hunde nicht. Die Meldung, dass wir kommen, wird von Hund zu Hund weitergereicht. Am Ende des Dorfes kommen zwei dicke Brocken plötzlich angeschossen, versuchen, uns mit ihrem Gekläffe einzuschüchtern.Sira verhält sich dabei ruhig, wirkt aber doch recht ängstlich. Vor allem, wenn zwei bis drei Artgenossen sie drohend umkreisen, ist sie sehr nervös. Anni wirkt in diesen Situationen nie verängstigt, sondern souverän und konzentriert. Wieviel Adrenalin sich dennoch hochschaukelt, steht auf einem anderen Blatt. Mit Stimme und Stock hat sie bis jetzt jede brenzlige Hundebegegnung in den Griff bekommen. Erstaunlich nach der Schäferhund-Attacke in Frankreich.

Hinter A Balsa führt uns ein enger, steiniger Hohlweg steil auf die Höhe. Langsam setze ich einen Fuß vor den anderen, komme stark und ergiebig ins Schwitzen, der Kreislauf kommt in Schwung. Über dem Hohlweg stehen wahre Goliaths von Kastanienbäumen, von denen immer noch Wasser des letzten Regens heruntertropft. Der Teufel sitzt wieder auf dem Wheely und schüttelt sich bei meiner Kraftanstrengung vor Lachen. Ich pfeif drauf und steige höher und höher. Irgendwann ist auch das vorbei und der Camino verläuft wie bei einer Panoramastraße auf einer Höhe an einem Berghang entlang, mit weiten Ausblicken nach Galicien hinein. Und es gibt hier tatsächlich Wald, weite Flächen sind mit Kastanienbäumen bepflanzt und vermitteln ein etwas anderes Landschaftsbild als in den letzten Wochen üblich. Dicke Wolken kleben an den Berghängen, die Nässe des vergangenen Regens steigt aus den Wäldern auf. Von hier oben sehen wir aber auch, wie in der Ferne der Himmel auflockert. Eigentlich ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann die Sonne wieder siegt.

Bei der Bar in Pintín ist es endlich so weit. Bei Kaffee, Cola und Donats sitzen wir an den Außentischen an der Straße und rasten. Einige Pilger sitzen schon drinnen oder draußen, stärken sich bei einem zweiten Frühstück oder einem frühen kleinen Mittagessen, suchen und finden das Gespräch mit anderen oder schweigen vor sich hin. Mancher hat sein Bocadillo vor sich auf dem Teller liegen, andere packen sich zu ihrem Café con leche eigenen Proviant aus dem Rucksack.

Auf einmal steht Ben an unserem Tisch. Immer wieder ist er für ein paar Tage von der Bildfläche verschwunden, dann taucht er auf einmal wieder auf. Mit seiner sehr blassen Gesichtsfarbe, seinen roten Haaren und seinem weißen Strohhut ist er uns schon in St-Jean-Pied-de-Port aufgefallen. Seitdem gehört er zu den wenigen, die mit uns immer noch auf gleicher Höhe Richtung Santiago ziehen. Und eins weiß ich inzwischen von ihm: Er spricht fließend Spanisch. Das kommt mir jetzt gerade recht. Ich brauche noch die ein oder andere Unterkunftsreservierung bzw. eine gesicherte Auskunft darüber, wo wir bei einer Albergue gesichert das Zelt aufschlagen können. Ben soll für uns telefonieren. Ich biete ihm einen Donat für ein Telefonat. Er schnappt sich - Donat kauend -unseren Miam Miam Do Do und mein Handy und wählt die erste Nummer. Ehrfürchtig lausche ich seinem spanischen Redeschwall und bin begeistert, als sein Daumen in die Höhe geht. Wir können auf der Wiese einer Gemeindeherberge unser Zelt aufschlagen, Hund kein Problem. Ich biete Ben einen zweiten Donat für ein zweites Telefonat. Den Donat schlägt er aus, telefoniert aber trotzdem. Mit dem gleichen Erfolg! Ben, ich werde mich bei Jakobus für dich verwenden!

Zwei Stunden später sind wir auf dem Campingplatz in Sarria. Wir könnten hier in großen Pilgerzelten schlafen, mit jeweils acht Stockbetten. Aber wieder einmal ist das mit Sira nicht möglich. Warum auch, im eigenen Zelt ist es viel heimeliger. Während wir im Schatten einiger Bäume unser Zelt aufstellen und unsere Siebensachen darin verstauen, parkt neben unserer Parzelle ein deutsches Wohnmobil ein. Anke und Thomas aus Braunschweig sind mit ihrem Hund auf dem Rückweg von ihrem langen Spanien-Portugal-Urlaub und froh, mal wieder "Stimmen aus der Heimat" zu hören.


Und jetzt schlägt mal wieder Jakobus zu: Noch ehe Anni einkaufen gehen kann, um u.a. längst fälliges Hundefutter für Sira zu kaufen, steht Thomas mit einer großen Dose Wildfleisch vor unserem Zelt, "weil etwas Abwechslung auf dem Speiseplan eures Hundes" bestimmt auch nicht falsch wäre. Wie recht er hat! Sira inhaliert den Inhalt der Dose förmlich, zeigt sich aber anschließend nicht so recht dankbar. Den kleinen Hund von Thomas keift sie unentwegt an. Olle Zicke!

Nach dem Hundefutter ergeht das nächste Angebot direkt an uns. Auch unseren Speiseplan schätzt Thomas vollkommen zu Recht als etwas zu einseitig ein und bietet uns dazu die Dienste seines Dampfgarers, Kartoffeln und Möhren liefert er gleich mit. Wie lange habe ich eigentlich keine Kartoffeln mehr gegessen? Und Möhren?!

Schließlich ergibt es sich, dass wir am Abend unsere Tische zusammenstellen und gemeinsam dampfgaren und essen. Zur Abrundung gibt es noch einen Pudding-Nachtisch und eine Flasche Weißwein. Jakobus, das war wieder voller Einsatz!

Ein wenig können wir uns aber revanchieren. Im Laufe des Abends stellt sich heraus, dass Anke ab morgen die letzten etwas mehr als 100 km bis Santiago ebenfalls auf dem Camino pilgern möchte, ein ziemlich spontaner Entschluss. Wir geben Tipps, beantworten einige Fragen und erreichen, dass Anke - mit reichlich Informationen versorgt - dem morgigen Tag mit Spannung und Vorfreude entgegensieht. Um 8 Uhr will sie zu ihrem kleinen Abenteuer Jakobsweg starten.

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Kommentare: 3
  • #1

    Mama Ingrid (Samstag, 15 Juni 2013 22:26)

    Hihi, wie lustig, wenn das ganze Interieur nur erst fiktiv vorhanden ist. Ich hoffe, die Betten waren wenigstens schon real dort.
    Schön, endlich wieder was von euch zu hören. Besonders freut es mich immer zu lesen, wie vielen netten Menschen ihr begegnet, die euch unterstützen oder mit irgendwas aushelfen. Manchmal gibt es sogar etwas Luxus für Mensch und Hund :-)
    Hab ich den 12. hier überlesen oder gabs davon nichts zu erzählen? Ich meine nur, wegen der Vollständigkeit für euer Buch. :-)
    Bessos

  • #2

    Mama Ingrid (Samstag, 15 Juni 2013 23:09)

    Sorry, sorry, hab den 12. gefunden. Mein Läppy hatte es verblättert.

  • #3

    Dani (Montag, 17 Juni 2013 08:59)

    Echt irre dieses ständige Eingreifen von Jakobus. Da könnte man fast abergläubisch werden.