Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Annika: Die Heimat ruft!

Von Burgos nach Poitiers, 900 km

Hach, was sind wir doch leicht zufrieden zu stellen! In unserem (für unsere Verhältnisse edlen) Hotel in Burgos schlafen Papa und ich ziemlich gut. Klar, nicht so gut wie in unserer Oase bei Jan und Rosa in Fisterra, aber immer noch ausreichend. Die Betten sind nicht ganz so himmelweich, die Brise und das Rauschen des Meeres fehlen und die Aufregung der Heimkehr macht den Schlaf unruhig. Trotzdem sind wir zufrieden. Betten mit Decke und Kopfkissen, Handtücher, Duschgel gratis und ein Duschkopf, der sich befestigen lässt. Was will man mehr?!?

Sira, Dimi und Basti könnten da jetzt so einige Beispiele nennen. Siras Kopf war, nach den für sie ziemlich anstrengenden ersten 600 km gestern im Auto, im Hotelzimmer auf ihrem dünnen Deckchen lange nicht so weich und komfortabel gebettet wie die drei vorigen Nächte in Compis' Körbchen.

Dimi und Basti waren in den letzten Wochen deutlich andere Standards gewohnt als wir. Sie sind lange nicht so zufrieden wie wir. Sie hören Toillettenspülungen in anderen Zimmern und empfinden das Frühstück als mickrig. Ich glaube, Papa und ich haben ganz schön Hornhaut entwickelt in den letzten Monaten.

So oder so, wir sind ja zum Glück nur auf der Durchreise. Im fliegenden Wechsel mit Papa frühstücke ich und überraschend schnell sind wir danach startklar. Die Heimat ruft...

Zuerst ist allerdings wieder mal Tetris angesagt. Wir mussten gestern noch einmal an unsere Sachen und irgendwie ist diese ganze Packfabrik sowieso noch verbesserungswürdig. Also hin und her, da was zwischen, hier was drunter, doch nochmal raus und wieder rein.... Ich nutze die Zeit und jogge mit Sira um den Block. Besonders viel Bewegung wird die Gute heute nicht bekommen. Ich bin gespannt, wie sie das aushält.

Nach einer Viertelstunde ist alles verstaut und wir düsen ein weiteres Stück gen Heimat.

Die ersten drei Stunden führen uns durch Spanien, oft ganz schön nah am Jakobsweg. Immer wieder fahren wir durch Dörfer und sagen: "Guck mal, da sind wir rausgekommen!", "Hier haben wir die Straße überquert!", "Da drüben haben wir geschlafen!" Wir sehen Rucksackwanderer mit Jakobsmuscheln, die sich Berge hoch und durch die Sonne abrackern. Sie sind gerade am Anfang ihrer Reise. Buen Camino, Leute! Von jetzt an ohne uns...

Bis zur französischen Grenzen wird Bastis Fahrkünsten und seiner Geduld Einiges abverlangt. Wir kurven durch die Serpentinen der Pyrenäen und kommen nicht so recht vorwärts. Wir hätten das ganze Gebiet auch bei San Sebastian auf der Autobahn umfahren können, aber dann hätten wir St.-Jean-Pied-de-Port verpasst. Vor gut eineinhalb Monaten sind wir schon einmal dort gewesen, wo die meisten Pilger ihre Wanderung beginnen. Damals waren auch wir zu Fuß. Veronika kam zu Besuch und brachte einen schweren Koffer voll guter Gaben für uns mit. Die haben wir herausgenommen und dafür andere entbehrliche Dinge reingepackt. Den Koffer brachten wir zur Pilgeranlaufstelle, wo er verwahrt wurde, bis wir ihn wieder abholen.

Das wollen wir jetzt tun. Dafür müssen wir diesen Umweg eben in Kauf nehmen. Nach einer Weile kommt durch das gleichmäßige Geschunkel, bei uns drei Mädels zumindest, latente Übelkeit auf. Die Sonne, die das Auto aufheizt, der Geruch von Hund und unseren Lebensmittelvorräten, die zu 95% aus Süßkram bestehen, tun ihr Übriges dazu.

 Wir alle sind froh, als wir in St.-Jean erstmal aus dem Auto rauskommen. Trotzdem wickeln wir unsere Vorhaben  so schnell wie möglich ab. Die Heimat ruft...

Während Papa sich im Pilgerbüro anstellt, drehe ich ein Ründchen mit Sira. Bis jetzt schlägt sie sich tapfer. Sie schläft den Großteil unserer Fahrten in ihrer neuen Box, die restliche Zeit schaut sie sich durch die Heckscheibe die vorbeiziehende Welt an. Wenn wir sie bei einer Pause herausholen, wirkt sie ein bisschen steif und muss sich erstmal schütteln, aber das ist bei uns Menschen ja nicht anders. Am Ende jeder Pause steigt sie bereitwillig wieder in ihre Box, das ist immer ein gutes Zeichen. Was mir nicht gefällt, ist die Tatsache, dass sie tagsüber kaum etwas trinkt, aber bevor sie verdurstet, wird sie das wohl auch machen. Außerdem schlabbert sie abends reichlich Wasser, also wird das wohl nicht so dramatisch sein.

Bald treffen wir uns wieder am Auto mit Basti und Dimi, die die Zeit für einen Schnelldurchlauf durch die Stadt genutzt haben.

Kurz darauf sitzen wir wieder im Auto, zusätzlich mit dem "neuen" Koffer beladen, und tuckern über Landstraße Richtung Lamothe, wo wir Fritz Papas geliebten Leihwheely wieder übergeben.

 Als wir um kurz nach vier dort eintreffen, ist es kräftig warm. Papa und ich sind froh, dass wir früher dran waren. Die Wandertemperaturen waren uns definitiv angenehmer, als es jetzt der Fall wäre, von Sira ganz zu schweigen. Klar, das Zelten wäre unkomplizierter, aber man kann nicht alles haben.

Als wir bei Fritz ankommen, steckt er schon in der Vorbereitung seines grandiosen Süßkartoffel-Stews. Es ist ruhig hier. Die paar Gäste, die er hat, halten sich in ihren Zimmern auf. Kein Vergleich zu dem Gewusel, als wir hier waren.

Fritz hat sogar Zeit, uns auf eine Kanne Kaffee einzuladen und sich kurz zu uns zu gesellen. Wir tauschen die eine oder andere Erfahrung aus, während Basti und Dimi ein Ründchen mit dem Hund drehen. Ich muss ja sagen, ich bin dankbar, dass Papa und Basti mir meinen Fiffi immer mal wieder abnehmen. Das macht es für Sira und mich immer einen Tick entspannter.

Nachdem Papa seine Sachen vom Wheely zurück gepackt hat in seinen hier gelagerten Rucksack, gibt Fritz ihm noch ein paar Anregungen für weitere Pilgerreisen. Jaja, Angefixte unter sich...

Bald sitzen wir wieder im Auto. Die Heimat ruft...

Mit angenehm viel Bewegungsfreiheit geht es weiter. Wir sehen unsere letzten Pilger, als wir Lamothe verlassen. Über Schleichwege düsen wir Richtung Heimat. Bald stoßen wir auf die Autobahn, die wir erst in Poitiers wieder verlassen, um unser Hotel anzusteuern. Es ist auch langsam Zeit. Zehn Uhr, Zeit für die Heia.

Heute haben wir uns circa 800 km näher an das große Ziel herangearbeitet. Sira darf sich jetzt endlich den Wanst vollschlagen. Den ganzen Tag über hat sie nichts bekommen, damit ihr nicht schlecht wird beim Auto fahren. Dafür jetzt! Sie frisst mit viel Appetit, sie säuft mit viel Durst, ihr Öhrchen wird das letzte Mal wundversorgt und sie streckt sich das letzte Mal auf ihrer stinkenden, haarigen dünnen Decke aus. Ob sie das weiß? Ob sie weiß, was sie in den letzten Monaten geleistet hat? Ob sie eine Ahnung hat, welchem Zweck es dient, dass sie sich drei lange Tage im Auto langweilen muss? Ob sie ahnt, dass ihr ab morgen wieder ein Platz auf dem Sofa in Herrchens Arm sicher ist? Ob sie im Gefühl hat, dass es ab morgen wieder jeden Tag Nassfutter und Leckeres vom Hundemetzger gibt, dafür aber weniger Streicheleinheiten von Fremden, kürzere Spaziergänge und weitaus weniger Zeit mit Papa? Ob sie ihr Zuhause und ihr Herrchen wieder erkennen wird? Wird sie sich freuen oder traurig sein? Ich hoffe, ein bisschen von beidem, denn dann haben wir alles richtig gemacht. Werden ihre alten Hundekumpels wieder ihre Kumpels und Feinde wieder Feinde sein?

Als Papa schon lange schläft, liege ich noch wach, schaue im Halbdunkel meinem Hund beim Schlafen zu und stelle mir vor, wie es morgen sein wird, heimzukommen. An Schlaf ist bis in die späte Nacht nicht zu denken. Ich bin aufgeregt wie ein kleines Kind in der Nacht vor seinem Geburtstag.

Die Heimat ruft!

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Kommentare: 1
  • #1

    Dani (Montag, 01 Juli 2013 09:34)

    Wir freuen uns auf euch!!!