Pilgern mit Hund nach Santiago de Compostela

Translation:

Reinhard: Markttreiben

Von Montarcher nach Pontempeyrat, 20 km

Das Thermometer vor "Le Clos Perche", unserer Unterkunft in Montarcher, zeigt -3°C, als wir zur Tür heraustreten. Zwar sind wir hier auf einer Höhe von über 1.100m, aber so langsam reicht es jetzt mit diesen Temperaturen. Der Himmel ist mal wieder grau und ganz vereinzelt fallen sogar ein paar dünne Schneeflocken. Aber es regnet nicht, deshalb haben wir doch eigentlich schönes Wetter.

Heute können wir es wieder gemächlich angehen lassen. Viel mehr als 20 Kilometer werden es nicht und wenn man den höchsten Punkt des Jakobswegs zwischen Trier und Le Puy kurz vor Montarcher bereits erreicht hat, kann es sooo schlimm nicht mehr kommen. Der Weg führt uns hinauf zur Kirche, von wo man bei klaren Tagen schon mal einen Blick bis zu den Alpen haben soll. OK, sooo klar ist es heute nicht, aber bis ins nächste Tal, in das wir nun hinuntersteigen müssen, reicht der Blick allemal.

Direkt neben dem Kirchenvorplatz führt eine steile Steintreppe zu einem Wiesenpfad, der uns schnell Höhe verlieren lässt und ins Tal bringt. Was folgt, ist entspanntes Dahintrotten auf nahezu gleicher Höhenlinie am Berghang entlang, auf Feld- und Waldwegen, vorbei an weidenden Pferden und noch grünen Ginsterbüschen und durch kleine Weiler, in denen sich wieder mal kein Mensch rührt. Verlassen kann man sich eigentlich nur auf die Anwesenheit von Hunden und Katzen. Während die Katzen, wie es ihrer Art entspricht, plötzlich einfach da sind, draußen auf der Fensterbank, vor der Haustür, auf der Mauer oder einfach mitten auf der Straße, hören wir die Hunde meist schon von Weitem. Das ist aber auch die günstigste Variante. Auf sie können wir uns vorbereiten, Sira schon vorab beruhigen. Schwieriger zu handhaben sind die Überraschungsangriffe der sog. Wachhunde, die zunächst verträumt vor der Haustür oder in ihrer Hundehütte liegen, dann bei unserem Erscheinen herangeschossen kommen und hysterisch bellend gegen den Zaun fliegen. Sira verjagt sich dann jedesmal so sehr, dass sie Anni fast auf die Arme hüpft. Am unproblematischsten sind die eher seltenen Exemplare, die frei auf der Straße herumlümmeln. Mit ihnen kann Sira Kontakt aufnehmen, Sympathie entwickeln oder auch nicht und dann ist der Drops gelutscht.

Ich empfinde es für mich immer als "ruhige Stunden", wenn wir drei Pilger im gleichbleibenden Schritt neben- oder hintereinander her gehen, außer unseren Schritten kaum etwas zu hören ist, wir selbst schweigen, die Natur genießen und jeder seinen Gedanken nachhängt. Wenn dann noch ein Zitronenfalter munter vor einem herflattert, ein Milan sich in die Luft schraubt oder ein Pferd von seiner Grasmahlzeit hochschaut, bin ich mit meinem gegenwärtigen Leben sehr zufrieden.

Blöderweise kann es dann auch schon mal passieren, dass wir einen Abzweig verpassen und uns irgendwann wundern, wo unsere vertraute Jakobsmuschel geblieben ist, die uns doch inzwischen seit Dijon recht verlässlich durch Frankreich leitet. Doch dank Google-Maps finden wir immer recht schnell wieder auf den richtigen Weg zurück.

Es ist später Vormittag, als wir in Usson-en-Forez ankommen. Und siehe da, hier sind Menschen auf der Straße, sogar viele Menschen! Bei der Kirche sehen wir auch warum. Es ist Markt, um die ganze Kirche herum, an einem Sonntag. Man sieht, dass es viele Bauern aus der Umgebung sind, die hier ihre Produkte anbieten. In geringen Mengen gibt es auch Stoffe, Textilien, Haushaltswaren. Am Käsestand läuft mir das Wasser im Mund zusammen, ich könnte mir glatt einiges von den Köstlichkeiten einpacken. Aber ich habe ja schon so meine Erfahrungen mit Camembert im Rucksack. Anni hält dann immer Abstand zu mir und das ist doch schade. Und ganz ehrlich: Das Käsearoma schlägt sich sofort auf meine Brille nieder, sobald ich den Rucksackdeckel aufschlage und lange kann sich selbst meine in einer Plastiktüte eingeschlagene Wäsche gegen diesen Duft nicht wehren. Also verkneife ich mir lieber den Kauf und hole stattdessen aus der Boulangerie ein großes Baguette.

Uns steht der Sinn nach einer Rast im Warmen. Da kommt die kleine Kneipe (über der Tür steht allerdings "Cafe") an der Kirchplatzecke gerade recht. Drinnen herrscht bereits munteres Geschnatter, aber ein kleiner Tisch direkt an der Theke ist noch frei. Wir bestellen bei dem quirligen kleinen Wirt zwei heiße Kakao und beobachten dann das Treiben. Herrliche Typen sitzen an den anderen Tischen, meist ältere Männer, nur wenige Frauen. Bevorzugtes Getränk scheint der Cassis zu sein, hier und dort steht ein Glas Rotwein. Bier? - Fehlanzeige! Geraucht wird auch nicht. Die meisten Gäste scheinen Marktbeschicker zu sein, die draußen hinter ihren Ständen Frau oder Kinder für sich arbeiten lassen. Ab 12 Uhr wird draußen abgebaut und die Kneipe füllt sich immer mehr. Es wird auch immer lauter und Sira, die bisher lieb zwischen unseren Stühlen gelegen hat , wird unruhig. Während ich mich noch anziehe, geht Anni mit Sira schon mal vor nach draußen. Viele Blicke folgen den Beiden, gleichzeitig erstaunt und amüsiert. Hunde mit eigenem Rucksack sind eben noch eine Seltenheit.

Etwa eineinhalb Stunden müssen wir noch weiter. Unser Weg plätschert weiter so dahin und ab und zu lässt sich sogar für einen kurzen Moment die Sonne blicken. Solch einen Augenblick nutzen wir nochmal für eine kleine Rast, bei der wir das halbe Baguette wegmüffeln. Sira hält währenddessen sehnsuchtsvoll Ausschau nach einer Katze, wird aber nicht fündig.

Ein besonderes Phänomen unserer Pilgerreise ist die Gabe Siras zu merken, wenn die Tagesetappe dem Ende zugeht. Dann wird sie hektisch, zerrt an der Leine, tritt sich mit den Läufen fast auf die Zunge - und bringt Anni zum guten Schluss eines jeden Pilgertages gehörig auf die Palme. Das ist heute nicht anders und wir sind froh, als wir am frühen Nachmittag in Pontempeyrat vor der Tür unserer Unterkunft stehen. Der Chef des "Les Trois Terres" begrüßt uns persönlich und geleitet uns auf unser Zimmer. Sira bekommt ihr Futter, seufzt tief und legt sich auf dem Zimmerteppich zum Schlafen nieder.

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Mama Ingrid (Montag, 08 April 2013 22:10)

    Herrliche Fotos! Aber warum trois terres? 3 Erden? Hat das was mit den Böden da zu tun?
    Hihi, es wird ja langsam schön klischeehaft mittelmeerländisch: Papa sitzt in oder vor der Kneipe bei einem Weinchen und einem Spielchen, Mama und Kinder arbeiten.
    Morgen istdie erste Leseprobe.
    CU